Wuppertal Kunstprojekt: Wie aus einem Bild 77 andere werden
Der Maler Christian von Grumbkow hat Kollegen einen Druck geschickt, den sie bearbeitet haben. Der Verkauf finanziert Deutschkurse für Flüchtlinge.
Wuppertal. Wie viel man doch aus einem Bild machen kann! 77 andere Bilder sind es in diesem Fall — und jedes basiert auf einem Druck von Christian von Grumbkows Werk „Soul Flight“. Der Wuppertaler Maler hat die Drucke an Kollegen verschickt, die sie kreativ und unentgeltlich weiterbearbeitet haben, „manche aus Spaß auch mehrere“. Alle 77 Arbeiten hängt er jetzt mit der Galeristin Nicole Bardohl in deren Kunstkomplex und verkauft sie zugunsten eines Deutschkurses für Flüchtlingskinder in der Alten Feuerwache (s. Kasten).
In Dreier- und Viererreihen hängen die Bilder recht dicht übereinander — das macht die Vielfalt erst recht deutlich. Bodo Berheide hat einen stillen goldenen Mond hinzugefügt, James Rogers seine bunten Punkte. Peter Klassen legt einen Tarzan-Comic über das Ausgangswerk. Andreas M. Wiese hat den Druck komplett übermalt und zeigt ein dunkelhäutiges Schwarzwald-Mädel im Hochformat. Der Bildhauer Eckehard Lowisch hat diesmal die Finger vom Marmor gelassen und aus dem Druck eine Karteikarte mit dem Foto einer modernen Radarfalle gemacht.
Neben Künstlern aus Berlin, Düsseldorf und Belgien sind viele Künstler aus Wuppertal dabei, „aber ich habe keinen Rundumschlag in der Szene gemacht, sondern es hat sich vieles einfach ergeben und Kreise gezogen“, sagt von Grumbkow. Es habe sich zwar vorher nicht klar gemacht, wie viel Arbeit mit der Aktion verbunden war, aber es sei auch schön gewesen, alle paar Tage ein Paket zu bekommen und es mit Reaktion von „Huch“ über „wie geil ist das denn“ bis „och nee“ auszupacken: „Ich war teilweise sehr gerührt.“
Renate Löbbecke lässt ein Netz aus antiken Kriegern über das Bild wachsen. Stefanie Wollenhaupt, die Papier selbst herstellt, hat es wie ein zartes Vlies darübergelegt und lässt Modellbahnfigürchen durch die Löcher schauen. Die Halbmarokkanerin Fouza El Kadiri, Kunststudentin und Deutschlehrerin an der Alten Feuerwache, überspachtelt den „Soul Flight“ teilweise mit weißem Bauschaum, in einer anderen Version tupft sie Nagellack in pink und türkis aufs Bild.
Mit verblüffend organischer Wirkung integriert Michael Utz eigene Fotografien von Gebäuden, Stimmungen und und Orten. Gregor Eisenmann zieht mehrere Ebenen psychedelischer Motive über das Bild.
Der Belgier Acher türmt winzige, einzeln ausgeschnittene Totenschädel zu einem Hügel. Durch die Bank politisch sind auch die Beiträge der Berliner Künstler, die das Flüchtlingselend auch figurativ darstellen. „Die sind eben noch mal härter drauf“, sagt von Grumbkow.
Die Ausstellung mit den Bildern der Kollegen ist die Ausweitung einer Aktion, für die von Grumbkow im November 2015 selbst 100 Drucke gestaltet und ab 150 Euro angeboten hat. Die Idee dazu hatte die Kinderärztin Susanne Bellenbaum, die sich ehrenamtlich für Flüchtlingskinder engagiert und die ersten Bilder in ihrer Praxis angeboten hat. 86 der 100 Drucke sind seither verkauft worden und haben 700 Unterrichtsstunden finanziert. „Obwohl nach der Kölner Silvesternacht monatelang nichts mehr passierte: Da wollte keiner mehr etwas für Flüchtlinge tun.“
Das hat sich mittlerweile wieder geändert. Dennoch hat ein angefragter Künstler eine Teilnahme aus politischen Gründen abgelehnt, weil er Angelas Merkels Flüchtlingspolitik nicht unterstützen wolle. Das Statement der 45 Kollegen, die freudig mitgemacht haben, ist dafür umso deutlicher: Es geht nicht nur um eine Benefiz-Aktion, sondern sie stehen für Willkommenskultur in diesem Land.