Max Raabe in der Stadthalle: Schlager, Schmelz und sanfte Töne

Der Bariton und sein Palast Orchester begeisterten mit Stil, Ironie und Nostalgie.

Wuppertal. Das Lächeln sitzt so akkurat wie Anzug und Fliege. Nur Mundwinkel und Augenbraue brechen immer wieder aus dem Korsett aus Stil und Nostalgie aus und offenbaren das, was Max Raabe so unwiderstehlich macht: seine Ironie. Auf leisen Sohlen kommt sie daher, legt sich wie ein farbiger Schimmer auf die musikalisch schwarz-weißen Polaroids der 1920er und 30er Jahre, bis sie zeitlos strahlen.

Gemeinsam mit seinem zwölfköpfigen Palast Orchester entführte der Bariton mit dem pomadigen Haar am Montagabend sein Publikum in der Stadthalle stilecht in die Ära charmanter Salonmusik. Alles an dieser Inszenierung wirkt dabei so gewollt sortiert, dass es eine beispiellose Komik beinhaltet.

Diese Bewegungslosigkeit, dieses scheinbare Desinteresse an jeglicher Form von "Show" ist eine wunderbare Abwechslung in Zeiten, in denen Entertainment fast ausschließlich mit visueller Dynamik und lautem Gegröle übersetzt wird.

Es braucht kein lautes Getöse, keinen bass-lastigen Rhythmus, es sind vielmehr die kleinen Spielereien der Instrumente, ein unerwartet helles Glöckchen, theatralische Kastagnetten, die dem Ganzen das Komische verleihen.

Dazwischen blickt Raabe blasiert gen Himmel, lehnt sich lässig gelangweilt ans Klavier und lässt ganz einfach seine wunderbaren Musiker im Rampenlicht glänzen. Raabe rollt das "R" genüsslich, spricht ganz militärisch zackig, um im nächsten Moment die Silben geradezu zu zerkauen und unverständlich zu dehnen. Seine Stimme ist sein Instrument, das er perfekt beherrscht und zuweilen darauf improvisiert wie ein Jazzmusiker.

Raabe beherrscht ein vielseitiges Repertoire: das gewitzte Knarzen des Coupletsängers ebenso wie den selbstbewussten Belcanto-Helden, den Schmelz eines Revue-Beaus und das Falsett des Tingeltangels sowie kaum hörbar sanfte Töne. Er bringt Rumba, Tango und Schlager mit gleicher Überzeugungskraft.

Und natürlich sind es die Texte, die ihre Possen treiben, die in ihrer ernsthaften Komik völlig staubfrei daherkommen. Diese Liedchen, knapp meist und mit noch abrupterem Ende, sind jugendlich leicht, obwohl sie einer pechschwarzen Zeit entstammen. Sinnentleerte "Badesaison-Schlager" hat es zu jeder Zeit gegeben, 1927 wie 2007.

"Eine Liebelei, so nebenbei", schallt es, und diese neurotische Liebe, die sich selbst nie so ganz wichtig nimmt, spiegelt herrlich die bittersüße Tragik des Lebens. Mit "Unter den Pinien von Argentinien" beweist auch die Band verschmitzten Humor mit gut dosiertem Spökes.

Die jahrelange Erfahrung merkt man den Musikern an: Sie unterhalten mit kleinen Gags und einer perfekten Choreografie. So wippen die Bläser ihre Instrumente im Takt von "Am Amazonas", schluchzen beim spanischen "Flor de Yumuri" oder bringen als Hintergrund-Sänger mit "Uh-Uhs" und "Ah-Ahs" bei "Dort tanzt Lu-Lu" das Publikum zum Johlen.

Kein Wunder also, dass das Publikum auf Raabes Abschiedsgruß mit einem spontan enttäuschten "Oohhh" reagierte und sich mit frenetischem Applaus noch einige Zugaben erklatschte.