Kultur Düsseldorf Molières böse Komödie über Geld, Gier und Glamour

Das Schauspiel und der Opernchor feiern eine großartige Premiere mit dem bitter-grotesken Stück „Tartuffe“. Die kluge und witzige Regie lässt die Figuren für sich sprechen.

Foto: K. Lefebvre

Wuppertal. Wer es mit der Wahrheit hält, lebt gefährlich. Auch Molière wäre fast auf dem Scheiterhaufen gelandet, wenn es nach der Geistlichkeit gegangen wäre. Denn sein „Tartuffe“ hielt 1664 der Gesellschaft gnadenlos den Spiegel vor. Dass sich an der Thematik bis heute nichts geändert hat, zeigte am Samstag die Premiere dieser dreisten Komödie in einer beeindruckenden und bejubelten Aufführung des Schauspiels.

Es ist seit Susanne Abbrederis’ Übernahme der Schauspiel-Intendanz das erste Stück auf der großen Bühne des Opernhauses. Diese reicht in der Inszenierung über den Orchestergraben bis in den Zuschauerraum — was eine besondere Nähe zwischen Schauspielern und Publikum schafft.

Golden ist der Bühnenboden, golden der große Glitzervorhang: das Bühnenbild. Unmissverständlich zeigt Susanne Maier-Staufen, verantwortlich für Bühne und Kostüme, worum es geht: Geld, Gier und Glamour.

Auch das originelle Kostümdesign spricht eine klare Sprache: Die barocken Kostüme sind ironisch gebrochen, mal ohne Strümpfe, mal mit, mal ohne Perücke, mal mit Zubehör aus den 20er Jahren oder der Gegenwart. Sie zeigen - wie die ganze Inszenierung - die Zeitlosigkeit der Geschichte. Die kluge wie witzige Regie von Maik Priebe quält keine tagesaktuellen Bezüge in die Komödie, sondern lässt die Figuren für sich sprechen.

Unmerkliche Spannung erzeugt die oft geometrische Anordnung der Darsteller. So sind es die maskenhaft weiß geschminkten Schauspieler, die das Geschehen vorantreiben. Dabei zeigt sich einmal mehr, dass das Schauspiel Wuppertal nicht nur über herausragende Einzelkünstler verfügt, sondern auch über das, was tatsächlich auf der Bühne zählt: ein geschlossenes Ensemble, dessen Spaß an der Sache auf die Zuschauer überspringt.

Tartuffe ist ein frömmelnder Heuchler, der sich beim reichen Bürger Orgon eingenistet hat. Er bringt ihn um Hab und Gut, will seine Tochter heiraten und Orgons Frau als Geliebte halten.

Dünnlippig und grauhaarig, verschlagen zur Seite blickend murmelt Miko Greza als Tartuffe seine frommen Weisen, bevor er sein Intrigennetz spinnt. Stefan Walz gibt den Orgon köstlich als Mischung aus Einfaltspinsel und Pfeffersack, der um sein Seelenheil besorgt ist.

Geradezu puppenhaft wirkt Julia Reznik als Orgons Tochter Mariane, die an Tartuffe verschachert werden soll. Sie und ihr noch Verlobter Valère (Lukas Mundas im Barockkostüm mit lächerlich kurzer Hose) wirken fast wie eine Kasperl- und-Gretel-Variante, die der Commedia dell’arte entsprungen scheint.

Gegen Tartuffe, Orgons Verbohrtheit und die herrlich matronenhafte Anke Hartwig als seine ihn anstachelnde Mutter scheint kein Kraut gewachsen, obwohl alle anderen den Eindringling durchschauen: Mit Vernunft ist nichts auszurichten. Sie verkörpert Orgons Schwager Cléante, der von Thomas Braus blasiert advokatisch gegeben wird. Es hilft auch nicht die Leidenschaft, der Alexander Peiler als Orgons Sohn Damis stotternde Gestalt gibt, der mit ständigen Morddrohungen gegen Tartuffe über die Szene tobt. Die kluge Frechheit von Tinka Fürst als Zofe nützt ebenso wenig wie die frivolen Listen von Philippine Pachl als Ehefrau.

Erst Bernd Kuschmann als Kommissar — alias Ludwig XIV. — macht dem Spuk ein Ende. Kein Wunder, dass der Sonnenkönig seine Hand über Molière hielt: Singt dieser doch am Schluss das Loblied auf den Monarchen.

Apropos Singen: Der barock gewandete Opernchor ist mehr als akustische Kulisse. Die Sänger kommentieren und gliedern die fast atemlos voranstürmende Handlung von der Bühne, aus dem Hintergrund und doppelchorartig von den Rängen mit Werken der Molière-Zeitgenossen Rameau und Lully. Beinahe als letzterer herausgeputzt leitet Jens Bingert seinen Chor vom Cembalo aus.