Galerie Neuhoffs Kunst gibt Rätsel auf
Wuppertal · Rolf Hengesbach stellt Moritz Neuhoff aus - der junge Maler ist auf dem Weg nach oben.
Während andere Ausstellungen absagen und Galerien schließen, hat Rolf Hengesbach die nächste Schau in seinem Haus an der Vogelsangstraße in Ruhe vorbereitet. Allein, denn sein Künstler, Moritz Neuhoff, blieb in Berlin. „Wir kennen uns ja sehr gut.“ Das kam ihm jetzt zupass. 15 Bilder hatte Hengesbach in Neuhoffs Atelier ausgesucht und unter dem Titel „visual fictions“ zur Vernissage am Sonntag eingeladen. Die Veranstaltung wurde nun zwar verschoben, aber am Dienstag (24. März) können Besucher sie sich anschauen. „Wir sind ja hier und in der Regel kommen auch immer nur wenige auf einmal“, erklärt der Galerist.
Moritz Neuhoff ist erst 33 Jahre jung, der gebürtige Osnabrücker malt aber wie ein Künstler mit langjähriger Erfahrung. „Gelassen und sicher, er beherrscht das Format“, so Hengesbach. Das ein großes ist, sich auch in der aktuellen Ausstellung gerne auf 2,30 mal 2 Meter erstreckt, während einige wenige Bilder klein sind, die kleinsten 70 mal 60 Zentimeter umfassen. Abstrakte Landschaften, sandsturmartiges Chaos, an asiatische Hieroglyphen erinnernde Zeichen, ein fremder Kosmos – allesamt Solitäre, die entdeckt werden wollen, aufmerksam und ohne Konkurrenz an der Wand gegenüber. Die Hängung war keine einfache.
Monumental waren auch die ersten Werke, die Hengesbach von Neuhoff sah. Vor sechs, sieben Jahren, Neuhoff studierte noch in Münster. Bei einem Akademierundgang der Universität wurde der Wuppertaler Galerist von mehrere Meter großen, an Röntgenbilder erinnernden Bildern Neuhoffs empfangen, die in der zwei Stockwerke hohen Eingangshalle standen. Damals noch figurative Arbeiten, die Hengesbach schwer beeindruckten. Man lernte sich kennen, freundete sich an, nahm eine intensive, inhaltliche Auseinandersetzung auf. Hengesbach war der erste Galerist, der dem junge Künstler eine Einzelausstellung widmete, schrieb einen Katalog über ihn, verfasste auch den Beitrag über Neuhoff bei der Ausstellung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ in Bonn 2019. Insofern habe er ihn wohl entdeckt, räumt der Wuppertaler fast zögerlich ein.
Eine Auseinandersetzung
mit Wahrnehmungsgewohnheiten
Neuhoffs Bilder setzen sich mit den heutigen, veränderten Wahrnehmungsgewohnheiten auseinander, die sich durch Smartphone und Computer immer mehr verkünstlichen. Der Künstler spielt mit ihnen, führt das Auge des Betrachters in die Irre. Er täuscht Reliefs oder Details von Fotoaufnahmen vor, deutet Karo-Muster oder Regenbogenfarben im weißen Pinselstrich an. Neuhoffs Licht flackert, ist diffus oder strahlt aus dem Hintergrund. „Die Farben sind weder natürlich noch entstammen sie unserer Produktwelt“, erklärt Hengesbach. Neuhoffs Farbphilosophie sei nie eindeutig, „wie lebende Leuchtschirme, die sich je nach Blickwinkel ändern“. Ein weiteres Charakteristikum: Die Bilder sind dynamisch, schnelle Bewegungen von Pinsel, Quaste oder Schwamm ändern die Richtung, lösen sich wieder auf. Ausdruck großer körperlicher Bewegungen, die im großen Format am besten zur Geltung kommen. Es gibt kein Oben und Unten, keine Tiefe oder Vordergründigkeit. Räume erscheinen unendlich oder als technisch vergrößerter Nanobereich. Was in der Ferne noch plastisch ist, entpuppt sich in der Nähe als weiche Illusion, „eine subtil gewebte Stofflichkeit, über die man streichen will“.
Dahinter steckt eine raffinierte Technik, die selbst Malerkollegen, so Hengesbach, nicht entschlüsseln können. Neuhoff arbeite in mehreren Schichten, Nass in Nass, trage mit verschiedenen Gerätschaften fast unsichtbare Acrylfarbschichten auf - schnell, horizontal, vertikal.
Die Vorstellung im Kopf führt zu genauer Vorbereitung, die plötzliches Umschwenken nicht verhindern kann, wenn die Dynamik zu Zufälligkeiten führt. Und wenn die Dinge sich nicht so entwickeln, wie er will, das Umsteuern nicht gelingt, sei auch ein Scheitern nicht ausgeschlossen.
Moritz Neuhoff ist eine Entdeckung wert. Dass sie nun nur wenige machen können, ist schade.