Premiere: Schauspieler in göttlicher Mission
Taltontheater: Das Wuppertaler Ensemble gibt nicht auf, sondern kämpft ums Überleben und setzt auf das Motto „Irren ist... göttlich“.
Wuppertal. Noch sind die Götter an der Friedrich-Engels-Allee anzutreffen. Die himmlischen Gestalten hadern allerdings mit ihrer Wartestellung. Denn die Schauspieler, die Pluto, Venus und Athene ein Gesicht geben, sind zu geerdet, um nicht die dunklen Wolken zu sehen, die die Existenz der freien Theatertruppe bedrohen. Ob und wie es für sie im Taltontheater auf lange Sicht weitergehen kann, ist derzeit noch völlig offen.
Klar ist zunächst nur eines: In gut zwei Wochen ziehen die Götter weiter. Am 31. März pilgern Poseidon (Dennis Wassmuth), Diana (Tabea Schiefer) und Bacchus (Moritz Stursberg) ins Haus der Jugend. Zwei Gastspiele gibt das Ensemble am Geschwister-Scholl-Platz — ganz nach dem Motto „Irren ist... göttlich“.
Regisseur Jens Kalkhorst, der die fabelhafte Welt der Griechen auf die Barmer Bühne bringt, kann es kaum erwarten, dass es endlich ernst wird und das heitere Musical tatsächlich sein Publikum findet. Die Hoffnungen sind groß — obwohl oder gerade weil sich in die helle Vorfreude zuletzt auch düstere Zukunftsprognosen gemischt hatten. Der Schock sitzt immer noch tief: Über Nacht war die engagierte Truppe heimatlos geworden.
Martina Steimers Rückzug aus dem Rex-Theater traf das Ensemble hart: Nachdem die Theater-Chefs durch die WZ erfahren hatten, dass ihre Hauptspielstätte vor einschneidenden Veränderungen steht, suchten Jens Kalkhorst und David Meister fieberhaft nach Alternativen und testeten verschiedene Ausweich-Bühnen.
„Wir haben das jetzt acht Monate lang ausprobiert und gemerkt, dass es nicht funktioniert“, sagt Meister. „Wenn wir auf Dauer bei jeder Vorstellung Abgaben zahlen müssen, wird das der Tod des Taltontheaters sein.“ Abgesehen von den finanziellen Verlusten gibt es auch mentale Hürden: „Die Heimatlosigkeit ist zermürbend.“ Nicht nur im Ensemble habe sie Spuren hinterlassen, auch die Fangemeinde hätte Sehnsucht nach einem festen Zuhause. Das Fazit ist deshalb eindeutig: Eine eigene Bühne muss her — dringend sogar.
Wer die Säulen sieht, die derzeit auf der Probebühne an der Friedrich-Engels-Allee stehen und dem göttlichen Treiben Halt geben sollen, weiß, dass die Suche gut überlegt sein will: Die Höhe der Decke muss genauso stimmen wie die der Miete. Auch Lage und Saalgröße sind entscheidend: Beim Taltontheater, das vor allem durch intime Kammerspiele bekannt wurde, sollen sich im Idealfall rund 100 Zuschauer gut aufgehoben fühlen.
Verschiedene Angebote liegen auf dem Tisch — nicht zuletzt dank der Berichterstattung in der WZ. Ob das Passende dabei ist, muss sich aber erst noch zeigen. Aus David Meister, der Pluto seine Stimme leihen wird, spricht zumindest Zuversicht: „Wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf unser Musical, danach forcieren wir die Bühnen-Suche.“
Himmel und Hölle haben die Schauspieler in den vergangenen Monaten jenseits der Bühne erlebt. Nun bringen sie Himmel und Hölle auch auf die Bühne. Wenn die Götter mit ihnen sind, werden die Gastspiele im Haus der Jugend nicht die letzten Vorstellungen sein. „Das Stück ist perfekt für Weihnachtsfeiern“, erklären Kalkhorst und Meister. Nicht nur deshalb hofft das Duo, dass das Ensemble auch die kommenden Monate überlebt — und zur Adventszeit längst im eigenen Haus Theater macht.