Ausstellung Raum, Zufall und der perfekte Moment

Matthias Neumann, Fotokünstler und Musiker im Sinfonieorchester Wuppertal, stellt in der Galerie Ryzek Wort + Bild aus.

Matthias Neumann mit zwei seiner Arbeiten aus der „Urbanics“-Serie, die er bei Ryzek Wort + Bild zeigt.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Es gibt zwei Konstanten in seinen Arbeiten: Raum und Zufall. In den Fotokunstwerken von Matthias Neumann erscheinen konkrete Menschen in konkreten Räumen oder (im Gegensatz dazu) beide im Moment der völligen Auflösung. Hier wie da sind es zufällige Aufnahmen. In der Galerie Ryzek Wort + Bild zeigt der Wuppertaler Fotokünstler ab Freitag Beispiele seiner Serien „Urbanics“ und „Verwischungen“. „Beyond“ (außerhalb, jenseitig) heißt die Ausstellung. Den Titel hat Galerist Peter Ryzek gewählt, weil er für Grenzübertritt und das Spiel mit Raum und Zufall stehe.

Matthias Neumann arbeitet in Serien. Das verhilft zur Perfektion und schafft zugleich Probleme, weil Serien irgendwann enden und durch neue ersetzt werden wollen. „Das ist dann eine schwierige Situation, ich suche nach Neuem, probiere viel aus, finde lange nichts“, erzählt der 59-Jährige, der gerne reist, schaut, nicht sucht, nicht unbedingt finden muss.

So kam er auch 2013 an seine Serie „Urbanics“, deren Motive sich vornehmlich im städtischen Raum befinden. Irgendwas mit Menschen und nicht bereits Erprobtes wie Porträts habe er damals machen wollen. Am Atlantik-Strand faszinierte ihn eine Szene, „drei Stunden fotografierte ich wie im Rausch“. Beginn der Serie, die er selbst „im Raum gefundene Bühnenbilder“ nennt, weil viele Menschen auf mehreren Ebenen minutiös inszeniert werden müssen. Der Berufsmusiker Neumann ist eben auch auf der Bühne zuhause.

Für den perfekten Schnappschuss-Moment wartet er gerne, Hartnäckigkeit verdrängt dann die natürliche Ungeduld. „Ich gerate in einen Flow, in dem ich viele Entscheidungen intuitiv treffe.“ Etwa bei seinem wie komponiert wirkenden und doch zufälligen Bild im Kölner Hauptbahnhof mit einem Mann in der Mitte, der gerade aus einer Flasche trinkt, während auf der Rolltreppe davor zwei Frauen zu ihm hinüber sehen und die Farbe Gelb in Kleidungsstücken, Plakaten und der schimmernden Rolltreppenverschalung auftaucht. Dennoch neigt sich die Serie dem Ende zu, nach 25 Bildern lasse „der tiefe Drang nach“.

Zufällig kam Neumann auch an das Thema seiner „Verwischungen“. Eine Serie, die er während seines Masterstudiums (2008 bis 2012) begann. Schon vor seinem Musikstudium hatte der Bratschist beim Sinfonieorchester Wuppertal bildende Kunst studieren wollen. Sich aber anders entschieden. Nun holte er nach, nahm Fotografie-Kurse, absolvierte ein Gaststudium, schloss den Master an. Dafür reduzierte er auch seine Tätigkeit beim Orchester auf eine halbe Stelle.

Hartnäckigkeit verdrängt
die natürliche Ungeduld

„Verwischungen“ wurde durch ein spontanes Foto initiiert, das er während einer Autofahrt aus dem Seitenfenster gemacht hatte. Heftige, undefinierbare Bewegungen hatte er festgehalten, die ihm gefielen. Dennoch dauerte es ein halbes Jahr und hunderte von Aufnahmen, bis er ein „funktionierendes Bild daraus bekam“. Seine „Verwischungen“ muten nun wie gemalt an, „der Raum wird dem Betrachter genommen, nur noch die Idee einer Landschaft, eines Gebäudes bleiben“. Das Gegenstück zu den „Urbanics“.

Auch was die Herstellung angeht, da Neumann hier mit der Mittelformatkamera analog arbeitet, während die „Urbanics“ nur digital machbar sind, allein der vielen Bereiche wegen, die er partiell bearbeiten muss. Tausende Negative hat Neumann noch aus der Verwischungsserie, die er gerade sichtet und eine Art Unterserie herauskristallisiert, die er ebenfalls bei Ryzek zeigt. Aufnahmen, die Raum und Mensch noch erahnen lassen und so eine Art Bindeglied zwischen den Serien sind.

Eigentlich stellt Galerist Ryzek stets zwei Künstler aus. Für Neumann weicht er von seinem Konzept ab. Gemeinsam haben sie die zwischen 40 mal 40 und 80 mal 120 Zentimeter großen Fotokunstwerke ausgesucht und so aufgehängt, dass sie in einen spannenden Dialog treten können. Derweil arbeitet Neumann bereits an der nächsten Serie. „Ganz kleine Arbeiten, die zwischen Kupferstich und Zeichnung angesiedelt sind“, sollen es werden. Einen Titel hat sie noch nicht.