Serie: Kunst, Häuser und Geschichten Eine Fliese im Rücken ist verkehrt herum eingesetzt

Elberfeld. · Die Majoliken-Wandgemälde geben zwei Sälen in der Historischen Stadthalle ihren Namen.

Herbert Heck kennt die Historische Stadthalle und die Anekdoten.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Ihre Geschichte ist nicht ohne die der Historischen Stadthalle zu verstehen. Jenem „letzten großen Baudenkmal vor dem Ersten Weltkrieg in Elberfeld“, wie Heinz-Theodor Jüchter in seinem Band über das Gebäude 2009 schrieb. Von 1895 bis 1900 wurde der „Treffpunkt des gehobenen Bürgertums“ errichtet. Zwei Säle wurden mit Wand füllenden Majoliken im Stil des Historismus geschmückt. Der künstlerische Leiter der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin, Alexander Kips, hatte den farbenprächtigen Wandschmuck entworfen – freilich nicht ursprünglich für das Bauwerk auf dem Johannisberg.

Das Wort Majolika, die italienische Bezeichnung für Mallorca, steht für meist farbig bemalte Porzellanfliesen mallorquinischer Art. Die Berliner Porzellanmanufaktur stellte Kips’ gewaltige Gemälde für die große Gewerbeausstellung in Leipzig 1896 her. Später sollten sie bei der Weltausstellung 1900 in Paris gezeigt werden. Doch Elberfelder Bürger fanden Gefallen daran und schenkten sie, versehen mit dem Schriftzug „Gestiftet von Bürgern Elberfelds“, der Stadt. „Die Stadthalle war damals im Bau und sie passten gut rein, gefährdeten aber ein wenig die Architektur“, erzählt Herbert Heck.

Das ehemalige langjährige Mitglied der Stadtverwaltung kümmerte sich seit 1981 um die Stadthalle, zuletzt als Geschäftsführer der Stadthallen Service GmbH und Stellvertreter der Stadthallen GmbH-Geschäftsführerin Silke Asbeck. Er begleitete die Restaurierung des Bauwerks, das er wie kein zweiter kennt. Seit Ende 2016 ist Heck im Ruhestand, sein Wissen nicht.

Ein Konzerthaus wollte die Bürgerschaft für Elberfeld. Eine hochkarätige Jury, darunter der Reichstagsarchitekt Paul Wallot, hatte 1896 unter 34 Entwürfen für den Bau des Konzerthauses gewählt, sechs mit Preisen gekrönt, und doch keinen verwenden wollen. Wenngleich die Ausführungspläne für den Bau im Stil der Neorenaissance italienischer Prägung von Stadtbaurat Mäurer, so Jüchter in seinem Buch, Ähnlichkeit mit den Plänen für den Reichstag aufwiesen. Im ersten Stock waren zur Bergseite drei Säle vorgesehen: der Mendelssohn-Saal, der mit einem Saal Ost und einem Saal West umfasst wurde. Die Raumsymmetrie freilich passte nicht auf Anhieb zu den Maßen der Majoliken. Weil die Fensterfront breiter war, musste eine Innenwand verschoben werden, erklärt Heck und der Freiraum über den Fliesen wurde für Titelleisten genutzt.

„Die Gaben der Erde“ und „Die Gaben des Meeres“ sind etwa acht Meter breite und etwa sechs Meter hohe Porzellan-Gemälde, die die jeweils 120 Quadratmeter großen Säle nach innen abschließen. Kips hatte opulente Szenen mit antiken und metaphorischen Gestalten und Elementen darauf dargestellt. Der Maler hatte nach Studienreisen nach Griechenland, Kleinasien und Italien der Porzellanfliesenmalerei zu neuem Aufschwung verholfen. Beim Einbau in Elberfeld rissen oder brachen einige Fliesen und wurden wieder geklebt. Wobei auch bleibende Irrtümer unterliefen. „Eine Fliese im Rücken einer Figur wurde verdreht eingefügt“, erzählt Heck eine Anekdote.

Nach dem „Einzug“ folgte eine ruhige Zeit für Kunstwerke und Bauwerk. Während zwei Kriege über Stadt und Land zogen, blieben diese verschont. Bis in den 1950er Jahren der Abriss drohte, „weil sie nicht zum modernen Zeitgeschmack der Südstadt und der Idee des modernen Zweckbaus passten“, so Heck. Dieser Krug ging zwar an der Stadthalle vorüber, aber einige Bilder, beispielsweise Deckengemälde im Großen Saal, wurden „angepasst“. Damals wurde auch ein Vorhang vor das nackte Fleisch der Gestalten im West-Saal gehängt – wohl weil dort bis Mitte der 80er eine Ballettschule zuhause war.

Die Sanierung des Gebäudes 1991 bis 1995 brachte eine gründliche Reinigung der Majoliken, die damit „die einzigen komplett erhaltenen Wandbilder im Haus sind“, so Heck. Ein Haus, das 1984 unter Denkmalschutz gestellt wurde und den Beinamen Historisch erhielt. Heute werden die Säle wieder für Konzerte genutzt, so wie die Stadthalle ursprünglich als Konzerthaus konzipiert war. Sie geben Familienfeiern bis Kongressen, großer Klassik bis Rockkonzerten Raum.