Folkwang-Universität Studenten performen Dada mit vollem Körpereinsatz

Studierende der Folkwang-Universität spielten auf der Bühne des Theaters am Engelsgarten.

Foto: Gerhard Bartsch

Wuppertal. Ausbruch aus dem Alltag - das war das große Ziel der Dada-Bewegung vor 100 Jahren. Für ihre Dada-Hommage „Ach, knallige Welt!“ hat Regisseurin Claudia Hartmann einen guten Startpunkt für diesen Ausbruch gefunden: ein Büro. Auf der Bühne des Theaters am Engelgarten simulierten Schauspiel-Studenten der Folkwang Universität bürokratischen Alltag. Gekleidet in 20er Jahre-Anzüge, ließen sie Schreib- und Rechenmaschinen klingeln, rattern und ächzen.

Die Arbeitsordnung geriet aus den Fugen, als sie die Schreibtische verließen und das „Tick-Tack“ der Maschinen übernahmen. Der Sprechchor marschierte auf das Publikum zu und stimmte dabei Ernst Jandls Kriegsgedicht „Schtzngrmm“ an. Das „Tick-Tack“ wurde durch das „T-t-t-t-t-t-t-t-t-t“ der Maschinengewehre ersetzt - und plötzlich fielen vier der acht Schauspieler wie getroffen zu Boden. Auf den theatralischen Tod reagierten die etwa 100 Zuschauer teils mit Erschrecken, teils mit Lachen.

Natürlich war Ernst Jandl, Jahrgang 1925, kein Dada-Dichter. Aber seine Lautpoesie wäre ohne den Sprachfuror der Dadaisten kaum denkbar. Überhaupt war Hartmanns Programm - wie der Name „DADA meets GAGA“ schon sagt - nichts für Puristen. Ihr Kollege Gerold Theobalt, der frühere Chefdramaturg der Wuppertaler Bühnen, hatte Texte von Größen der Bewegung wie Hans Arp und George Grosz mit Geistesverwandten wie Eugène Ionesco und Oskar Pastior gemischt. Nach der Pause durften die jungen Schauspieler selber ran und eigene Texten präsentieren.

Beide Teile des Abends liefen als dicht komponierte Performances ab. Die Schauspieler wechselten von Text zu Text, manchmal von Zeile zu Zeile die Vortragsweise. Da wurden Texte abwechselnd gesungen und deklamiert und gerade Unsinns-Verse mit einer tüchtigen Portion Pathos serviert. Es wurde geflüstert, gekreischt und im Dialekt - von Rheinisch bis Schwäbisch - gesprochen. Zum intensiven Vortrag kamen Mimik und eine ausgeprägte Körpersprache. Ganz zu schweigen von Verfolgungsjagden, wie man sie aus alten Stummfilmen kennt.

Jedes Ensemblemitglied bekam sein großes Solo. Yannik Heckmann zum Beispiel bespielte mit Kurt Schwitters’ unverwüstlicher „Anna Blume“ die ganze Bühne. Während seine Kollegen wieder an ihren Arbeitsplätzen saßen, sprang er - die Liebe zu „A-N-N-A“ machte ihn übermütig - von Tisch zu Tisch, Podest zu Podest und tänzelte vor den Zuschauern her.

Mit Schwitters & Co. konnten sich die Schauspieler-Texte nicht messen. „Ich bin unperfekt!“ - diesen Satz legte Franziska Roth der Figur ihres Monologs vielleicht nicht ganz zufällig in den Mund. Dabei hatte auch der zweite Teil seine starken Momente. Nur von einer Taschenlampe beleuchtet, performte Anne Stein mit rastloser Stimme einen Mix aus fantastischem Reisebericht und Filmzitaten.

Einige ihrer Kollegen erweiterten ihren Vortrag zur zirkusreifen Show. Als ob sie Stuntmen wären, stürzten sich einige beim Abgang mit Salto oder ähnlichen Sprüngen von den Bühnenpodesten herab.

Und es gab ja auch noch die Songs, die zwischendurch eingestreut wurden und die Matthias Flake auf dem Klavier begleitete. Die hatten zwar -bis auf Hans Unsterns wortspielerisches „Paris“ - herzlich wenig mit Dada zu tun, sorgten aber zusätzlich für gute Laune.

Auf der leergeräumten Bühne sang Rudolf Kleins den Sixties-Klassiker „A Whiter Shade Of Pale“ und schritt vorsichtig an seinen Mitspielern vorbei, die wie schlafend am Boden lagen. „Ich würde anbieten, eine Arie zu singen“, sagte Leo Meier in Richtung Publikum und ließ seinen durchdringenden Bass hören.