Theater für die Generation Internet
Eine Bilanz: Geschäftsführerin Barbara Sydow über 40 Jahre Kinder- und Jugendtheater.
Frau Sydow, das Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater feiert seinen 40. Geburtstag. Was hat sich — auf der Bühne — in den vergangenen vier Jahrzehnten wesentlich verändert?
Barbara Sydow: Zunächst einmal sage ich gern, was in all den Jahren geblieben ist: Das Theater hat sein wesentliches Profil in 40 Jahren behalten und macht Theater nicht nur für junge Leute, sondern auch mit ihnen. Unsere Rollen werden altersgerecht besetzt. Diese Erfahrung war schon immer wichtig und wird es bleiben — sowohl für die, die auf der Bühne stehen, als auch für die, die im Publikum sitzen und gleichaltrigen Schauspielern zuschauen. Diese Authentizität ist das Besondere an unserem Theater und für viele Kinder und Jugendliche im Publikum eine Motivation, auch mal Theaterluft schnuppern zu wollen.
Was ist sonst noch geblieben?
Sydow: Von der anfänglichen Wanderbühne, mit den Stücken auf und ab durchs Bergische Land zu touren, sind auch noch einige Orte übriggeblieben, die seit mehr als 20 Jahren fester Bestandteil einer Gastspielreise sind. Und die Theaterschule, die seit knapp zehn Jahren existiert, wächst immer weiter.
Das Publikum hat sich indes verändert. Wie möchten Sie die Generation Internet für die Bühne begeistern?
Sydow: Indem wir versuchen, die Themen zu besetzen, die nah am Leben junger Menschen sind. Auch eine Generation Internet hat noch ein echtes Leben außerhalb der virtuellen Welt. Hier haben sich die Sorgen und Ängste nicht so sehr verändert. Verändert hat sich der Druck auf diese Generation. Man verlangt von den Mädchen und Jungen, schnell und herausragend durch die Schule zu kommen, sich sozial zu engagieren, Sport zu machen, Instrumente und Sprachen zu lernen und so viel mehr. Dabei beginnt ihre Freizeit durch die langen Schulzeiten oft erst um 17 Uhr und geht dann oft im nächsten Termin unter. Das Theater kann sie dann erreichen, wenn sie merken, dass es um sie und um die Themen in ihrem Leben geht.
Wo sehen Sie die Bühne in 40 Jahren?
Sydow: Hoffentlich in einem eigenen Haus, in dem alle Beteiligten voneinander profitieren. Derzeit sind wir auf zwei Orte verteilt: Die Aufführungen und Proben finden in der Aula des Berufskollegs an der Bundesallee statt. Die Werkstatt, die Theaterschule und die Verwaltung sind an der Margaretenstraße. Ein Haus, in dem alle näher am Geschehen sein könnten und mehr voneinander mitbekämen, wäre für uns viel gesünder und inspirierender für alle Beteiligten — und das nicht erst in 40 Jahren.
Welche Wünsche gibt es abgesehen von einem eigenen Haus?
Sydow: Wir sind angewiesen auf junge Leute, die Lust darauf haben, sich in diesem Bereich zu engagieren und mit den Stücken, mit den Kursen wachsen. Es geht ja nicht nur ums Spielen, sondern auch um die Mitarbeit in der Technik oder am Bühnenbild. Außerdem wünsche ich mir mehr Zusammenarbeit mit anderen Initiativen — in Zukunft werden auch generationenübergreifende Projekte eine viel größere Rolle spielen. Das Wichtigste aber wird sein, dass es noch junge und ältere theaterinfizierte Menschen gibt, die Spaß daran haben, Geschichten auf einer Bühne zu erzählen und zu sehen.
Die nächste Premiere ist eine ganz besondere. „Der Räuber Hotzenplotz“ war einst die erste Produktion des Theaters. Nun folgt sozusagen der „zweite Streich“. Weshalb haben Sie sich für eine Neuauflage der Räuber-Geschichte entschieden?
Sydow: Zum einen, weil die Geschichte ja ein großer Klassiker ist, der in all den Jahren nichts von seinem Zauber verloren hat. Lars Emrich, der künstlerische Leiter des Theaters, schwärmt immer wieder von der Entstehung dieser Geschichte — eben davon, dass Otfried Preußler den Hotzenplotz „nur“ erfunden hat, weil er mit seinem „Krabat“ nicht weiterkam. Bei dieser schriftstellerischen Fingerübung sind aber Figuren entstanden, die unsterblich geworden sind. Und das ist wirklich so — wenn man den Proben zuschaut, ist das schon ein großer Genuss.
Was wird denn diesmal anders?
Sydow: „Der Räuber Hotzenplotz“ richtet sich wieder an jüngere Kinder ab fünf Jahren und ich freue mich schon auf die kleinen und großen Gesichter. Und natürlich ist das schön, wenn man so eine Brücke zur ersten Produktion schlagen kann. Das Theater ist 1971 aus dem Lehrlingstheater des großen Wuppertaler Unternehmers Dr. Kurt Herberts hervorgegangen und die Inszenierung wurde von dem prägenden Protagonisten des Theaters, Paul Winterling, geleitet.
„Der Räuber Hotzenplotz“ ist erst der Anfang. Was erwartet das Publikum sonst noch in der neuen Spielzeit?
Sydow: Wir verraten schon einmal die Produktion des Frühjahrs: Es wird „Momo“ sein — für alle Menschen ab acht Jahren.
Sind heute noch Pioniere aus der Anfangszeit im Theater engagiert?
Sydow: Oh ja. Lesen Sie auf unserer Webseite den wöchentlich erscheinenden Artikel von Uwe Weinreich. Er schreibt „40 Jahre in 40 Wochen“ — in den Berichten lerne auch ich viel über frühere Zeiten. Er gehört noch zu denen, die die Ausbildung bei Herberts durchlaufen haben und unendlich viel erzählen können. Und es gibt noch andere, die in den ersten Jahren dazu gestoßen sind — und immer noch oder immer wieder mal dabei sind.
Sie bieten inzwischen einige Bühnenbilder zum Verkauf an. Weshalb?
Sydow: Begleiten Sie mich mal bei einem Gang durch unseren Fundus. Sie werden sehen, in 40 Jahren sammelt sich einiges an. Immerhin sind mehr als 130 Stücke entstanden. Viel davon könnte man so nicht mehr wieder aufnehmen, auch die Schauspieler sind den Rollen lange entwachsen. An vielen Produktionen hängt man als Theatermensch dennoch sehr, aber mittlerweile wird es zu eng für die nachfolgenden Stücke.
Was genau kann erstanden werden — und wie viel müssen Interessenten dafür auf den Tisch legen?
Sydow: Eine Auswahl der besten Bühnenbilder, die noch gut erhalten sind, bieten wir jetzt zum Verkauf an. Es handelt sich dabei um Bühnenbilder der Stücke „Pippi Langstrumpf“, „Das Dschungelbuch“ und „Die Schatzinsel“ — also Stücke, für die sich andere Theater, die keine Werkstatt haben, interessieren könnten. Anfragen gibt es auch schon. Der Preis ist Verhandlungssache und hängt auch davon ab, in welchem Rahmen und wie oft das Stück gespielt werden soll. Interessenten können sich einfach bei uns melden oder einen Blick auf unsere Webseite werfen.