Regisseurin: „Ich habe noch keine Ahnung, wie das Ganze ausgeht“
Anne Hirth arbeitet unkonventionell — und erstmals im Tal.
Wuppertal. Es gibt Selbstdarsteller, die sich mit blumigen Worten ins rechte Licht rücken und gestenreich ausmalen, was sie alles vom Regiestuhl aus planen. Und es gibt Anne Hirth, die zwar aufblüht, wenn sie von ihrer Arbeit spricht, aber keinesfalls theatralisch um Vorschusslorbeeren heischt.
Die Berlinerin, die zum ersten Mal in Wuppertal — erstmals an einem Stadttheater überhaupt — Regie führt, gibt offen zu: „Ich habe noch keine Ahnung, wie das Ganze ausgeht.“
Eine gute Woche vor der Premiere, die die 37-Jährige im Kleinen Schauspielhaus feiern wird, ist ihr vor allem eines wichtig: dass die geneigten Zuschauer wissen, dass ihre Projekt ein offener Prozess ist. Und während ihr wohl jeder Marketingexperte raten würde, vollmundig auszuführen, was an ihrer Arbeitsweise alles anders ist als bei herkömmlichen Stücken, betont sie erst einmal, was es bei ihr alles nicht gibt. „Keine Geschichten, keine Figuren, keine Dialoge, keine Morde.“
Was gibt es dann? „Auf jeden Fall mehr Lyrik als Dramatik“, sagt Hirth, die ihre Collagen stets gemeinsam mit den Bühnen-Protagonisten entwickelt, dabei von keiner Stückvorlage, sondern von einem Thema ausgeht und mit Bildern arbeitet — ähnlich wie eine Choreographin im Tanztheater. Für die Schauspieler bedeutet das: „Sie müssen sich darauf einlassen, nicht den Schutz einer festen Rolle zu haben. Und sie können sich nicht auf einen klassischen Text stützen.“
Für ihre Gäste, die „Rost“ erstmals am 24. September erleben können, heißt dies: Sie müssen einen ganz persönlichen, emotionalen Zugang finden, Anspielungen deuten und sich auf einen unkonventionellen Theaterabend einlassen. Allein das Thema stand von vorneherein fest: Es geht um Archivarbeit, um Verfall und Tod. Damit letztendlich vor allem um zwei Fragen: „Was möchten wir aufheben? Und was ist überhaupt wert, bewahrt zu werden?“
Als Assistentin der Choreographen Luc Dunberry und Sasha Waltz hatte Hirth Theaterluft geschnuppert — ehe sie an der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin („Ernst Busch“) ein Regiestudium absolvierte. Heute arbeitet sie freiberuflich — und sagt bezeichnenderweise, was sie nicht ist. „Ich bin keine Revolutionärin“, stellt sie klar. „Ich habe diesen Weg nicht aus einer Anti-Haltung heraus gewählt. Ich habe nach dem klassischen Regiestudium einfach nur gemerkt, dass mir das assoziative Arbeiten eher liegt und mehr Spaß macht.“
Nun ist sie entsprechend gespannt — darauf, was am Ende dabei herauskommt und vor allem darauf, wie das Publikum reagiert. Statt mit blumigen Worten für ihre Produktion zu trommeln, gewinnt sie dem ganzen Prozess schon jetzt eine positive Seite ab. Denn auch das gibt sie offen zu: „Die Arbeitsweise ist natürlich auch praktisch — es gibt keinen Vergleich, es ist immer eine Uraufführung.“
“ Wer die „Rost“-Uraufführung nicht verpassen möchte, kann sich unter Telefon 569 4444 Karten bestellen. An Kuohn, Silvia Munzon Lopez, Juliane Pempelfort und Ralf Haarmann treten am Samstag, 24. September, um 20 Uhr im Kleinen Schauspielhaus auf.