Theater: Keifende Lehrerin greift zur Waffe
Das Stück „Verrücktes Blut“ treibt Vorurteile gegen Ausländer und Lehrer ironisch auf die Spitze.
Wuppertal. Dieses Stück ist nichts für zartbesaitete Gemüter. „Verrücktes Blut“ zeigt beides: Jugendliche, die keine Autorität außer körperlicher Gewalt gelten lassen, eine Lehrerin, die unter den Umständen zusammenbricht, und viel Theaterblut. Das TiC-Theater bringt mit der Reihe „Starke Stücke“ aktuelles Theater mit provozierenden Themen. „Verrücktes Blut“ von Nurkan Erpulat und Jens Hillje erlebte seit der Uraufführung 2010 einen Siegeszug über deutsche Theaterbühnen. Es entlarvt die Vorurteile vieler Deutscher gegen Ausländer.
Diese Haltung wird hier ironisch auf die Spitze getrieben: Die fünf Schüler mit heftigem Akzent pöbeln sich aufs Gröbste an, schlagen sich die Nasen blutig, ignorieren den Unterricht. Von den beiden Schülerinnen sitzt die eine brav mit Kopftuch in der Ecke, die andere lässt sich hingegen tief in den Ausschnitt blicken. Hilflos steht die Lehrerin Frau Kehlich diesem Haufen gegenüber und versucht unbeeindruckt von Lärm und Gewalt, den Unterricht über Schillers „Räuber“ durchzuziehen. Bis sie plötzlich eine Pistole in der Hand hält, die einem Schüler aus der Tasche gefallen ist. Sie sieht ihre Chance und zwingt die Schüler nun mit Gewalt, aufzupassen und die aufgeklärte Sichtweise deutschen Bildungsbürgertums aufzunehmen.
Regisseur Raik Knorscheidt bringt die verschiedenen Typen wunderbar deutlich auf die Bühne: Mirca Szigat spielt die Lehrerin erst als bemühte, nette Lehrerin. Dann dreht sie auf, bis Frau Kehlich nur noch die Schüler ankeift, sie mögen doch bitte ihre Chance hier in Deutschland nutzen. Benedict Schäffer, Lars Grube, Alexander Bangen, Björn Tappert und Robert Flanze halten ihre Rollen als muslimische Jugendliche überzeugend durch: mit „Isch“ statt „Ich“, Kratzen im Schritt und zur Schau gestellter Lässigkeit.
Lara Sienczak gibt das schüchterne Kopftuch-Mädchen, das sich durch die Intervention der Lehrerin zur „coolen“ Frau entwickelt. Nadine Thiele vervollständigt die Gruppe als lethargische Sexbombe. Und immer wieder verschieben sich die Sympathien, die Täter- und Opferrollen.
Damit auch wirklich niemand die Darsteller mit ihren Rollen verwechselt, wird die Handlung in einen Rahmen aus Theater-Vorbereitung gesetzt. Knorscheidt geht sogar noch weiter und hält dem Publikum am Schluss tatsächlich den Spiegel vor. Altes deutsches Liedgut zur Vaterlandsliebe kontrastiert zwischendurch immer wieder die Handlung. Das Publikum applaudiert tief beeindruckt deutlich länger als sonst bei Komödien.