„Tonleiter“: Die vierte Runde beginnt
Bildhauer Tony Cragg erklärt, weshalb sein Skulpturenpark die ideale Konzertbühne ist. Er glaubt an die Kraft moderner Musik.
Wuppertal. Sie trägt per se den Stempel, schwierig, anstrengend, problembeladen und somit alles andere als leicht konsumierbar zu sein: Zeitgenössische Musik ist eine Herausforderung — für die Zuhörer, die sich ihr stellen, nicht zuletzt aber auch für die Musiker, die sie präsentieren.
Kein Wunder also, dass sich Bildhauer Tony Cragg freut, dass die „Tonleiter“-Konzerte in seinem Skulpturenpark „erfreulich oft ausverkauft sind“. Weshalb der Hausherr von der Hirschstraße auch nicht müde wird, im Dienste moderner Klänge die Werbetrommel zu schlagen: Die „Tonleiter“-Serie wird am 30. November mit einer musikalischen Mischung aus Isang Yun, Arvo Pärt, George Crumb, John Cage und Andrew Norman fortgesetzt.
„Die Reihe war in den vergangenen Jahren ein beachtlicher Erfolg“, resümiert Cragg. „Wir haben fantastische Musiker hier gehabt.“ Und auch das Publikum sei hörbar zufrieden gewesen: „Wir sind zuletzt häufig an die Grenzen unserer räumlichen Möglichkeiten gekommen.“ Mindestens 150 Gäste sind jedes Mal dabei, wenn der Glaspavillon zur Konzertbühne wird.
In Zeiten, in denen auf dem Kulturparkett weitflächig der Rotstift regiert und die Kosten-Nutzen-Rechnung vielen hehren Visionen den Boden entzieht, wirkt die kleine Reihe wie purer Luxus inmitten eines großen Streichkonzerts. Die verschiedenen Besetzungen, darunter fast ausschließlich Künstler des Wuppertaler Sinfonieorchesters und der Musikhochschule, spielen für maximal 200 Zuhörer: Ist das nicht — trotz allem — mehr Spartenprogramm als Genuss-Termin für jedermann?
„Wir machen das, weil wir beide denken, dass die Reihe wichtig ist und das Publikum in Wuppertal bereichert“, antwortet Gerald Hacke, der die Konzert-Reihe als künstlerischer Leiter in die vierte Saison führt. Auch Tony Cragg, erklärter Liebhaber zeitgenössischer Klänge, macht kein Geheimnis daraus, dass es ihm nicht um eine Breitenwirkung geht — jedenfalls nicht um jeden Preis. „Es ist keine kommerzielle Unternehmung“, stellt der 63-Jährige klar. „Wir zielen nicht darauf, einen finanziellen Gewinn zu machen. Im besten Fall trägt es sich.“
Der individuelle Profit zeige sich in ganz anderem — im Idealfall in der Erkenntnis der Zuhörer, dass sich die Auseinandersetzung mit modernen Stücken lohne. „Die Konzerte sind kein oberflächliches Entertainment, sie sind ein Erlebnis“, betont Cragg.
Zumal das sinnliche Vergnügen nicht allein auf die Musik beschränkt ist: In der Ausstellungshalle sitzen die Zuhörer zwischen Skulpturen, und wer möchte, kann im Anschluss auch gleich noch ein Abendessen mit den Künstlern buchen. „Das Angebot erfreut sich großer Beliebtheit“, freut sich Gastgeber Tony Cragg. Nähere Infos zum Abendessen in der Villa Waldfrieden gibt Birthe Benz unter Telefon 25 01 630.
„Unter den Gästen ist ein großer Kern von Treuen, aber das Publikum ist zugleich breit gemischt“, erklärt Hacke, der nicht nur Klarinette spielt, sondern bei den Konzerten auch als Moderator im Einsatz ist. „Ich wollte keine Reihe speziell für Experten machen — sondern für alle, die neugierig auf Neues sind. Ich habe den Eindruck, dass das gelungen ist. Das freut mich am meisten.“ Wenn am Ende auch noch seine Kollegen zufrieden strahlen, ist das Experiment vollends geglückt. „Oft wird erstmal geseufzt, wenn ich die Noten verteile“, berichtet Hacke mit einem Augenzwinkern.
Zeitgenössisches habe „einfach einen ganz anderen Reiz als die Beschäftigung mit Mozart oder Brahms“. Bevor die Musiker gemeinsam proben können, müssen sie sich allein — im eigenen Kämmerlein — ungewohnten Klangwelten nähern. „Das ist ein mühsamer Prozess, der mehrere Monate dauern kann“, bekennt Hacke. „Manchmal verstehe ich erst in der Generalprobe, was der Komponist sagen will. Das ist auch für uns spannend.“ Eine echte