Toshiyuki Kamioka: Der neue Chef und seine Opern-Pläne
Toshiyuki Kamioka spricht erstmals über seine Zukunft als Intendant.
Herr Kamioka, herzlichen Glückwunsch. Im Sommer 2014 werden Sie Generalmusikdirektor und lösen als solcher auch Johannes Weigand als Opern-Chef ab. War das Ihre Idee, kam die Anregung von Oberbürgermeister Peter Jung oder haben Sie die Überlegung gemeinsam entwickelt?
Toshiyuki Kamioka: Das war eine gemeinsame Überlegung.
Ihr neuer Vertrag geht bis 2021. Hätten Sie bei Ihrem Amtsantritt vor neun Jahren gedacht, dass Sie einmal so lange in Wuppertal bleiben würden?
Kamioka: Nein, auf keinen Fall. Aber jetzt bin ich einer der glücklichsten aller Dirigenten. Ich fühle mich sehr wohl hier.
Dabei heißt es ja oft, dass Wuppertal eine Stadt für den zweiten Blick ist . . .
Kamioka: Erst wenn man in Wuppertal wohnt, weiß man, was man hat. Es geht ja nicht um banale Äußerlichkeiten. Als ich hierhin zog, habe ich gemerkt, dass Wuppertal eine Kulturstadt ist — eine Stadt mit echtem Tiefgang. Ich kann verstehen, dass Pina Bausch hier nicht weg wollte.
Noch sind Sie in Wuppertal Chef-Dirigent und künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters — und in Saarbrücken zusätzlich Generalmusikdirektor am Saarländischen Staatstheater. Wann hat die Pendelei ein Ende?
Kamioka: Im Sommer 2014. Noch habe ich auch zwei Wohnungen, ich werde mir nun in Wuppertal eine größere suchen. Bisher habe ich hier auch kein Klavier zum Üben. Vielleicht wäre dann sogar ein Haus besser . . .
Fahren Sie immer noch regelmäßig mit dem Auto nachts — nach Proben oder Aufführungen — von einem Einsatzort zum nächsten?
Kamioka: Ja, das ist stressig. Ich würde gerne Zug fahren, aber die Verbindungen sind so schlecht.
Was gab den Ausschlag dafür, dass Sie nun auch Intendant werden?
Kamioka: Es ist die praktischste Lösung. Wenn ich alleine entscheiden kann und wir uns nicht zu zweit abstimmen müssen, hat es den Vorteil, dass die Terminierung in einer Hand liegt. Ich möchte unser A-Orchester optimal nutzen (können). Ich werde zum Beispiel keine Premiere so legen, dass es am Tag danach ein Sinfoniekonzert gibt. Und als wir auf Japan-Tournee waren, konnten wir nicht zeitgleich in Wuppertal sein und für das nächste Sinfoniekonzert proben — deshalb mussten wir ein Gast-Orchester für Wuppertal engagieren. Das alles kann ich nun von vorneherein anders planen.
Wird es eine weitere Japan-Tournee geben?
Kamioka: Ja, 2016. Im März. Vielleicht ja zur Kirschblüte . . .
Sie übernehmen die Oper in einer Zeit, in der radikale Sparmaßnahmen anstehen.
Kamioka: Ja, ich rechne auch schon fast jeden Abend, rechne und rechne. Das ist eine neue Situation für mich — eine Herausforderung. Ich hoffe aber, dass es eine Finanzierungssicherheit gibt. Andernfalls müsste ich mich um noch mehr Sponsoren bemühen. Ich muss auf jeden Fall gut kalkulieren.
Nach Ihrem Amtsantritt 2004 haben Sie die Herzen Ihrer Zuhörer im Sturm erobert. Sie waren und sind ein Publikumsliebling. Hat es Sie überrascht, nachdenklich gestimmt, gar extrem getroffen, dass es nun auch negative Stimmen gab? Als durchsickerte, dass Sie zum Intendanten berufen werden, gab es nicht nur Jubel, sondern auch Skeptiker, die kritisierten, dass Sie keine Regie- oder Intendanten-Erfahrung haben.
Kamioka: Negatives wurde mir bisher nicht ins Gesicht gesagt. Aber es gibt selten Situationen, in denen immer alle ja sagen. Das ist normal und menschlich. Die Skeptiker muss ich nun zurückgewinnen. Die negativen Stimmen zu überzeugen, sehe ich als Herausforderung.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Sie keine Intendanten-Erfahrung haben?
Kamioka: Wenn ich jetzt Sparkassen-Chef werden würde, wäre Kritik angebracht. Aber was die Musik betrifft: So neu ist die Situation nicht für mich. Ich bin schon so lange in Opernhäusern — ich arbeite seit 1987 im Musiktheater. Da hört man viel und sieht alles mit. Es ist in der Tat sehr selten, dass ein Dirigent Intendant wird. Aber es gibt Beispiele dafür, dass das sehr gut funktionieren kann. Ich mache mir aber auch viele Gedanken darüber, was ich — im Gegensatz zu den weniger gelungenen Fällen — besser machen könnte.
Werden Sie auch selbst Regie führen?
Kamioka: Man möchte als Dirigent immer gerne inszenieren. Ob ich das in die Tat umsetze, weiß ich aber noch nicht — es könnte sein. Ich bräuchte dafür aber Zeit. Ich werde im ersten Jahr noch nicht ganz so mutig sein, sondern mich langsam vortasten. Sollte ich dann überhaupt noch Zeit haben, möchte ich wieder komponieren. Oder auch malen und Gedichte schreiben.
Dann kann es sein, dass Sie eine Oper für Wuppertal komponieren?
Kamioka: Nein, da muss ich passen. Ich denke da eher an Kammermusik oder Klavierstücke.
Wie viele Opern werden Sie selbst dirigieren?
Kamioka: Ich kann natürlich nicht alles selbst dirigieren. Wir werden Gast-Dirigenten verpflichten. Ich möchte mindestens sechs Premieren pro Saison haben.
Inwieweit planen Sie bereits Ihre erste Spielzeit als Intendant?
Kamioka: Es wird auf jeden Fall eine italienische Oper dabei sein. Auch das deutsche schwere Fach (Wagner oder Strauss) möchte ich auf den Spielplan setzen. Und dann wird es sicherlich auch etwas Ausgefallenes geben.
Eine Uraufführung?
Kamioka: Nicht direkt zu Beginn. Aber grundsätzlich finde ich eine Modernisierung nicht schlecht — da müssen wir mit guten Regisseuren arbeiten. Ich bin da sehr offen.
Haben Sie schon Gespräche geführt?
Kamioka: Ich bin schon im Gespräch mit Regisseuren — und auch mit dem Tanztheater. Wir müssen sobald wie möglich absprechen, wer wann Premieren plant. Schwierig abzustimmen sind vor allem die Stadthallen-Termine. Das muss als erstes geschehen. Danach geht es um die Details des Spielplans. Ich habe bislang keinen Fernseher und keinen Computer. Jetzt werde ich mir aber doch einen Computer zulegen . . .
Die Stadtspitze hat Sie quasi als Heilsbringer angekündigt. Die Erwartungen sind jedenfalls groß. Sie sollen die Zuschauerzahlen stabilisieren, Publikum auch von außerhalb anlocken und mit Ihrem guten Namen möglichst auch überregional Akzente setzen. Meinen Sie, dass es tatsächlich funktionieren könnte, Konzertbesucher verstärkt auch für die Oper zu begeistern?
Kamioka: Die Erwartungen spüre ich auch. Aber: Jeder hat einen speziellen Geschmack. Wenn Konzertbesucher künftig auch oft in die Oper gingen, wäre das schön, aber so einfach ist das nicht.
Freuen Sie sich auf Ihre erste Spielzeit in neuer Funktion — oder haben Sie auch Angst, nicht alles unter einen Intendanten-Hut zu bekommen?
Kamioka: Schon 2004, als ich nach Wuppertal kam, habe ich einiges geändert. Zum Beispiel Tourneen geplant oder die Sinfoniekonzerte von Dienstag auf Sonntag und Montag gelegt. Auch das brauchte Zeit, bis es sich bewährt hat. Die einzige Sorge, die ich jetzt habe, ist, als Intendant nicht das richtige Gespür für den Publikumsgeschmack zu haben. Ich kann da nur versuchen, mein Bestes zu geben. Man kennt mich in Wuppertal— das ist einerseits schön, andererseits macht es das aber nicht einfacher. Wenn ich ganz neu wäre, könnte man — sofern etwas Anlass zu Kritik geben sollte — sagen: „Der kennt Wuppertal (noch) nicht.“ Diese Ausrede habe ich nicht. Ich hoffe einfach auf eine gute Partnerschaft — darauf, den Geschmack des Wuppertaler Publikums zu treffen und die richtige Richtung einzuschlagen.
Wie unterscheidet sich das Wuppertaler vom Saarbrücker Publikum?
Kamioka: Es ist ganz anders — intim und voller Wärme. In Wuppertal spüre ich eine unglaubliche Wärme. Bei Konzerten in der Stadthalle denke ich immer wieder: Die Zuschauer können mein Herz greifen.
Womöglich auch nach 2021?
Kamioka: Nein, 2021 ist Schluss. Danach gehe ich in Rente.