Wuppertaler Literatur Biennale mit Martin Walker gestartet Visionär und Autor Walker: „Dieser Alptraum ist nicht vorüber“

Wuppertaler Literatur Biennale ist gestartet. Programm wird noch bis einschließlich Sonntag gestreamt.

 Udo Thies las aus Martin Walkers Buch „Germany 2064“.

Udo Thies las aus Martin Walkers Buch „Germany 2064“.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Der neue Oberbürgermeister nahm’s gelassen: 4000 Besucher hätten vor zwei Jahren die Wuppertaler Literatur Biennale besucht. Nun teste man mal, wer nach 25 Minuten des Wartens noch da sei, sagte Uwe Schneidewind ins Mikrofon, hoffend darauf, dass seine Worte im Livestream direkt zu den Buchfreunden gelang würden. Im coronabedingten Lockdown wird das Festival gestreamt. Der Auftakt am Donnerstagabend mit Begrüßung und erster Lesung scheiterte jedoch an technischen Schwierigkeiten und wurde schließlich aufgezeichnet. Der zugeschaltete Bestsellerautor Martin Walker und seine Moderatorin Antje Deistler führten dennoch ein interessantes wie unterhaltsames Gespräch.

„Germany 2064“ erschien 2015, ist Zukunftsthriller, Roman und Sachbuch in einem. Es spielt in einem Deutschland, das in zwei Welten geteilt ist. Nicht in Ost und West, sondern in High-Tech-Städte, in denen es selbstlenkende Fahrzeuge und hochentwickelte Roboter gibt, und in „Freie Gebiete“ mit naturnahem Leben in selbstverwalteten Kommunen. An der Grenze zwischen diesen beiden Welten wird eine Sängerin entführt. Gleichzeitig werden bei einem Überfall auf einen Transport hochwirksame Medikamente gegen gefährliche Seuchen geraubt. Zwei Fälle für Hauptkommissar Bernd Aguilar und seinen Roboter-Watson. Der Brexit in Großbritannien, der die Aufteilung des Landes in Hightech-Städte und zurückgebliebene Landstriche offenbare, sowie die mangelhafte W-Lan-Infrastruktur in deutschen Gebieten hätten ihn zum Plott inspiriert, verriet Martin Walker nun im Gespräch. 

Liebesbeziehungen zwischen Mensch und Roboter sind möglich

Diese Geschichte passt gut ins diesjährige Programm der Biennale „Tier, Mensch, Machine – Berührungen“. Der 1947 in Schottland geborene Schriftsteller, Historiker und politische Journalist Walker ist vor allem durch seine Krimis um Kommissar Bruno bekannt geworden. Dessen zwölften Fall stellte er gerade auf Lesereise vor, als ihn die Coronakrise zur Rückkehr in seinen Landsitz im französischen Périgord zwang. Sein Blick in die Kristallkugel Deutschlands ist Teil eines Projekts der Management-Beratung A.T Kearney. Zum 50-jährigen Jubiläum des deutschen Büros 2014 befasste die Firma Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler mit der Frage, wie sich Deutschland in den nächsten 50 Jahren entwickle. Und weckte Walkers Begeisterung und Recherchelust.

Das Verhältnis Mensch – Roboter steht im Zentrum des Buches. Künstliche Intelligenz, so Walkers Vision, werde fester, unterstützender Bestandteil unseres Lebens sein, auch wenn die Vorstellung Angst erzeuge. Da Roboter zwar schlauer als Menschen seien, aber keine Gefühle wie Liebe und Hass kennen, gelte es, ihnen diese über Spielfilme zu vermitteln. Dann seien auch Liebesbeziehungen zwischen Mensch und Roboter möglich.

Das Buch ist Utopie
und Dystopie zugleich

Mutig findet Deistler das Ansinnen, in die Zukunft zu schauen, während die digitale Entwicklung fünf Jahre als Ewigkeit erscheinen ließe. Die Klimakatastrophe thematisiere Walker zwar in seinem Buch, nicht aber Greta und Fridays for Future. Walker antwortet indirekt, dass der Klimawandel eine zu bewältigende Herausforderung sei. Und die Coronakrise, die er 2015 natürlich auch nicht auf dem Zettel hatte, zeige gerade „unserer so gut funktionierenden Welt“ ihre Grenzen auf.

Sei das Buch „Germany 2064“ Utopie oder Dystopie, will Deistler noch wissen. Beides, jede Gesellschaft sei für die einen dies, für andere jedes, lautet die Antwort. Mehrdeutig fällt auch Walkers Einschätzung des USA-Wahlausgangs aus. Biden werde neuer Präsident bei republikanischer Mehrheit im Senat. Trump aber komme 2024 wieder und gewinne gegen eine schwarze Kandidatin: „Dieser Alptraum ist nicht vorüber.“