WZ TV: Proserpina – gequälte Königin der Unterwelt
Wuppertaler Oper zeigt „Proserpina“ von Hans Neuenfels.
Wuppertal. Diese Frau gibt nicht auf: Wütend hadert sie mit ihrem Schicksal, laut schreit sie ihren Unmut heraus, verletzt klagt sie über den göttlichen Vater Zeus, der sie als Kind freundlich zu sich aufhob, hofft trauernd auf Ceres, die göttliche Mutter, die sie mit Schmerzen suchen und nicht finden wird. Proserpina muss ihr Schicksal allein meistern.
Im Wuppertaler Opernhaus hatte die umstrittene "Proserpina"-Inszenierung der Schwetzinger Festspiele von Hans Neuenfels Premiere. Die Musik von Wolfgang Rihm entspricht dem gesungenen Monolog der Proserpina zwischen depressiver Verstimmung und aggressiver Rebellion. Er findet eine expressive und sinnliche Klangsprache fernab aller ohrschmeichelnden Melodik, die die Dramatik der Figur trefflich kennzeichnet.
Die Sopranistin Elena Fink gönnt sich keine Ruhepause: Kämpferisch füllt sie die Rolle der von Pluto in seine Unterwelt Verschleppten aus. Behende wechselt sie durch vier Oktaven, singt glasklare Koloraturen, scheut nicht vor extremen Tonsprüngen zurück und schildert so die Seelenqualen der entmachteten Frau berührend. Denn der Biss in den Granatapfel bindet sie endgültig an die Unterwelt, in der sie der vorzüglich intonierende, unsichtbare Damenchor der Wuppertaler Bühnen (Leitung: Jens Bingert) mit schmeichelnden Gesängen als Königin begrüßt.
Dass Liebe und Tod dicht beieinander liegen, erinnert nicht nur an den paradiesischen Sündenfall, sondern macht auch das Stöhnen nach dem Genuss deutlich: "Warum sind Früchte schön, wenn sie verdammen", heißt es in den wörtlich vertonten Goethe-Versen aus "Der Triumph der Empfindsamkeit".
Oralsex, Selbstbefriedigung, die angedeutete Vergewaltigung durch den Unterwelt-Herrscher und die Lustknaben sind harter Tobak für das Wuppertaler Publikum. Proserpina ist in der Hölle angekommen: Als Sex-Sklavin auf dem Gynäkologen-Stuhl und als gejagte Hure: "O Pluto! Pluto! Nenn es nicht Liebe - Wirf mich mit diesen Armen in die zerstörende Qual." Den letzten hohen Sopran-Ton greifen die Instrumente auf und lassen ihn lange schwebend verklingen. Hut ab vor dem Wuppertaler Sinfonieorchester unter Florian Frannek, das die komplexe Musik so vielfältig farbig, sensibel und kraftvoll vermittelt.
Das zunächst ratlose Publikum lässt sich doch noch mitreißen und würdigt das Orchester und vor allem Elena Finks herausragende Leistung, die nach der enormen Anspannung die Tränen nur mühsam unterdrücken kann.
Dauer: 60 Minuten ohne Pause. Weitere Vorstellungen: 30. April, 19.30 Uhr; 2. Mai, 15 Uhr (mit Kinderbetreuung). Karten unter Tel. 0202/569 4444.