Ausstellung Zanele Muholi, Senga Nengudi - die Kunst und die Frage nach der Identität

Zwei Ausstellungen, die zwei Frauen ins Zentrum stellen starten im Von der Heydt-Museum.

Anna Storm zwischen einem Porträt Zanele Muholis und van Goghs holländischer Bäuerin, die in der Schau nebeneinander hängen. 

Foto: Von der Heydt-Museum

Eigentlich sind es zwei getrennte Ausstellungen. Und doch haben sie viel miteinander zu tun – durch thematische Bezüge und einfach auch räumlich, weil beide im ersten Stock des Von der Heydt-Museums eingerichtet wurden: Wer „Fremde sind wir uns selbst – Bildnisse von Paula Modersohn-Becker bis Zanele Muholi“ anschauen will, die sich dem Porträt-Genre widmet, erreicht diese durch einen Raum, der der legendären Avantgardekünstlerin Senga Nengudi (Jahrgang 1943) gewidmet ist. Er wurde in Kooperation mit dem Tanztheater Pina Bausch gestaltet und wird von diesem zum Leben erweckt (siehe Kasten). Beide Ausstellungen werden am kommenden Sonntag eröffnet.

Sechs Arbeiten der aktuell sehr gefragten Fotografie-, Video- und Installations-Künstlerin Zanele Muholi, die dem Museum Anfang 2021 als Dauerleihgaben angeboten wurden, waren der Auslöser. Die 1972 in Südafrika geborene Künstlerin ist bekannt für ihre ausdrucksstarken Selbstporträts, „die auf subtile Weise mit geschlechtsspezifischen Konventionen spielen“, erklärt Kunsthistorikerin und Museumsmitarbeiterin Anna Storm. Sie wusste sofort, dass sie mit den Arbeiten eine Ausstellung gestalten wollte, kombinierte diese mit 42 Gemälden, 44 Fotos und acht Zeichnungen, die sie in der Sammlung fand.

Interessante Dialoge und Schlussfolgerungen

Erstellt von weltbekannten und von vergessenen Künstlerinnen und Künstlern, die in der ganzen Welt und einige auch in Wuppertal zu Hause sind (oder waren). Allesamt Porträtarbeiten, die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts entstanden waren – als die klassische Moderne akademische Positionen infrage stellte, sich die Malerei im Reflex auf die Fotografie stark veränderte. Die Ausstellung wartet mit Entdeckungen länger nicht gesehener Kunstwerke des Hauses und und einer Hängung auf, die interessante Dialoge und Schlussfolgerungen erlaubt.

Das wird bereits im ersten der fünf thematisch sortierten Räume deutlich: Dort blickt dem Besucher Muholi gleich zweimal in die Augen – aus für sie typischen, nachgeschwärzten Aufnahmen, einmal im schwarz-weißen Kimono, einmal von Schläuchen schwungvoll umwickelt. Daneben ein Mädchenbildnis, das Paula Modersohn-Becker malte und Warhols weltbekannte Marilyn Monroe. Um „Formen der Inszenierung“ geht es hier, die bei den dargestellten Frauen stets auf Augenhöhe stattfindet, während die Männer eher dandyhaft rüberkommen (wollen). „Auch wenn stets Komposition und Perspektive bedacht werden, wirken diese bei Fotos anders als bei Malerei“, macht Kuratorin Storm aufmerksam.

Um Körpersprache geht es im darauffolgenden Raum. Hier wird der Körper bewusst schützend eingesetzt, er öffnet und schließt sich – etwa in Miriam Cahns sieben Arbeiten umfassendem Grafikzyklus „American Woman“, neben dem Lehmbrucks „Weibliches Brustbild und männlicher Kopf“ hängt, auf dem eine nackte Frau sich mit den Armen schützend umschließt, während der Voyeur von hinten naht. Weibliche Akte werden meist von Männern gemalt, das bestätigt sich im dritten Raum, der dem selbstbewussten Akt gewidmet ist. Maria Blanchards „Stehender weiblicher Akt“ ist die Ausnahme in der männlich dominierten Auswahl. Er hängt neben Christian Schads „Halbakt“, der ihn von der Seite anzuschauen scheint. Alle Werke, darunter auch ein Picasso und ein Léger, eint, dass sie Nacktheit und Sexualität selbstbewusst und aktiv agierend präsentieren.

Dabei erstaunliche Ähnlichkeiten in der Machart ihrer Werke aufweisen, auch wenn sich ein Henri Toulouse-Lautrec („Die dicke Marie“) und ein John Duncan Fergusson („Der blaue Unterrock“) sicherlich nicht gekannt haben. Der Blick ins Innere, der die Augen auf ein außerhalb des Bildraums befindliches Ziel lenkt, aber auch im vermeintlich direkten Augenaufschlag stecken kann, führt ganz verschiedene Künstler im zweigeteilten vierten Raum zusammen. Ob Muholi und Hodler, Munch und Schlichter, Modersohn-Becker, Francis Bacon, Max Beckmann und Tobias Zielony – alle ihre Bilder drücken „Innere Versunkenheit“ aus, Melancholie, Traurigkeit, Entrückung, mindestens Nachdenklichkeit.

Der Frage, wie Nähe durch Blicke entstehen kann, geht die Ausstellung im letzten Raum unter dem Titel „Intimität und Nähe“ nach. Hier erwarten zum Beispiel van Goghs holländische Bäuerin und ein Selbstbildnis von Muholi, einträchtig nebeneinander hängend, den Besucher, der unweigerlich den aus schwarzen Schwämmen kunstvoll aufgetürmten Kopfputz der Afrikanerin in Bezug zur weißen Haube der Holländerin bringt. Oder beginnt, Parallelen in Cezannes Miniaturbildnis seines Sohns Paul und Kokoschkas Italienerin neben ihm zu suchen.

Wie der Mensch sich darstellt und gesehen werden will, war, ist und bleibt eine interessante Thematik – die Ausstellung beweist dies auf vielfältige Art. Nicht zuletzt durch ihren Titel, der dem Buch von Julia Kristeva „Fremde sind wir uns selbst“ entlehnt ist und das Fremde als Teil der Identität begreift.