Lieb und teuer: Wie das Wuppertal zur Eisenbahn-Hochburg wurde
Ein Vortrag in der Politischen Runde erinnerte an die Anfänge der Bahn-Historie im Tal.
Wuppertal. „Die Eisenbahn war im wahrsten Sinne des Wortes eine Lokomotive: Sie hat die wirtschaftliche Entwicklung vorangebracht“, erklärt Professor Dieter Ziegler. Er sprach am Montagabend auf Einladung der Politischen Runde in der Bergischen Volkshochschule (VHS) über „Eisenbahnbau und Staat“. Der Vortrag fand war Teil der Reihe „Moderne trifft Geschichte — Elberfeld und der Döppersberg: gestern — heute — morgen“, an der die Stadt Wuppertal beteiligt ist.
Wer Impulse zum Döppersberg hören wollte, wurde allerdings enttäuscht — denn der Historiker, der an der Ruhr-Universität in Bochum lehrt und von sich selbst sagt, Eisenbahnromantik gehe ihm völlig ab, zeichnete zwar anschaulich die Entwicklung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert in den preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen nach — die Großbaustelle kam aber mit keiner Silbe vor.
Trotzdem sorgte eine Spitze für Gelächter in den Stuhlreihen: „Eisenbahnprojekte werden meistens teurer als vorher geplant“, führte der Experte aus. Zur Erinnerung: In der vergangenen Woche hatte die Stadt bekannt gegeben, dass der Abriss des Bahnhofsvorplatzes das angesetzte Budget um 600 000 Euro sprenge (die WZ berichtete).
Kein Wunder also, dass der Experte zum Thema Eisenbahnbau ein Zauberwort in den Mittelpunkt stellte: Schulden. „Wenn Sie Großprojekte planen, muss man heute wie früher Schulden aufnehmen. Aus dem laufenden Haushalt lässt sich weder der Ausbau des Eisenbahnnetzes, noch Stuttgart 21 oder der Großflughafen in Berlin bezahlen“, erklärte Ziegler.
Daher habe der preußische König den Eisenbahnbau nicht fördern wollen, und die Eisenbahnen entstanden in privater Hand — was auch in Wuppertal zu Absurditäten führte: „Man hat einfach drauflos gebaut, und so führten von Köln nach Minden zwei Trassen durch das Wuppertal — in einen Abstand von gerade mal zwei Kilometern“, sagte Ziegler mit Blick auf das damals entstandene Nebeneinander von Bergisch-Märkischer Eisenbahn und Rheinischer Strecke (heute Nordbahntrasse).
Ein Überangebot, für das es zur Entstehungszeit freilich einen Grund gab: Um einen Anschluss an das Eisenbahnnetz mussten die Geschäftsleute in Elberfeld und Barmen, den bedeutendsten Industriezentren im Rheinland-Westfalen um 1840, hart kämpfen. Die allerersten Trassen nämlich, wie etwa die Prinz-Wilhelm-Eisenbahn von Essen-Kupferdreh Richtung Langenberg, endeten, bevor sie das Wuppertal erreichten. Doch schon 1841 schloss die Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn das Wuppertal ans Schienennetz an — die Bergisch-Märkische Bahn als Fortsetzung dieser Strecke folgte 1847.
Weil diese Trasse jedoch durch das massive Frachtaufkommen und einen für damalige Loks kaum zu bewältigenden Steilanstieg bei Hochdahl überlastet war, wurde parallel dazu die Rheinische Strecke gebaut — 1879 war sie fertig. Wuppertal wurde somit zum Schauplatz eines regelrechten Eisenbahn-Booms. „Man hat sich damals etwas geleistet, immerhin hatte Wuppertal 33 Bahnhöfe“, gibt einer der rund 70 Zuhörer zu bedenken.
Die Kehrseite der Entwicklung: Die beiden Strecken nebeneinander wurden auf Dauer zu teuer. So war es am Ende wieder der Staat, der ab 1880 die üppigen Strecken übernahm und mit Steuergeldern hegte und pflegte — üppige rote Zahlen inklusive. Das könnte sie dann doch sein — eine Parallele sein zum heutigen Projekt Döppersberg.