Lissabon und zurück: Mit zwei Wuppertalern über den Wolken
Die Piloten Ralph Grünewald und Florian Geisendörfer fliegen quer durch Europa. Die WZ war im Cockpit dabei.
Wuppertal. Der Pilot hebt den Arm und der Copilot verstummt. Ein Funkspruch nach dem anderen erreicht das Cockpit des German-Wings-Airbus, die meisten richten sich nicht an die Crew. Jetzt aber sind Ralph Grünewald und Florian Geisendörfer gemeint. Beide schweigen und hören zu. Auf einem der Bildschirme im Cockpit wechseln Quadrate die Position. Das sind die Flieger, die heute ebenfalls unterwegs sind. Es ist viel los im Luftraum.
Fast jeden Tag blicken Grünewald und Geisendörfer auf eine andere Stadt, gegen Mittag werden sie die Christo Rei Statue und die Brücke des 25. April überfliegen, um in Lissabon zu landen. Nur die eigene Stadt ist den Piloten vom Boden aus am Liebsten. Grünewald und Geisendörfer sind in Wuppertal aufgewachsen, weg wollen sie nicht. Sie haben Familie in der Stadt, Geisendörfer hat gerade in eine Eigentumswohnung im Grünen investiert.
Seit 15 Jahren arbeitet Grünewald als Pilot. Ein später Einstieg, er ist bereits 45 Jahre alt. "Ich wollte immer Fliegen", sagt er, nachdem er den Funkspruch entgegengenommen hat. Als Kind habe er täglich im Atlas geblättert, sich Ziele gesucht, die er auf dem Papier bereiste. "Damit konnte ich mich stundenlang beschäftigen." Doch Grünewald traut sich nicht ran an die Pilotenausbildung. "Ich war ein lausiger Schüler und dachte es reicht nicht."
Er entschließt sich, Lehrer zu werden, studiert nach dem Abitur Mathematik und Musik. Doch der Traum vom Fliegen bleibt. Irgendwann wird der Wunsch übermächtig. Grünewald nimmt einen Kredit auf, 80.000 Mark kostete die Piloten-Ausbildung damals, die Familie unterstützt ihn. Ein Risiko, die Jobs sind rar. Nach Ende der Ausbildung arbeitet Grünewald als Flugbegleiter, Arbeit als Pilot findet er erst nicht.
Geisendörfer hatte mehr Glück. Der heute 30-Jährige schafft es zur Lufthansa, das Unternehmen bezahlt die Ausbildung. "Die meisten bestehen die Tests dort nicht", sagt er. Doch auch Geisendörfer muss nach der Ausbildung am Boden bleiben. "In der Zeit habe ich alle Jobs gemacht, die ich finden konnte."
Grünewald hebt die Hand. Ein Funkspruch. Geisendörfer wirft einen Blick auf die Windkarte. Aus dem Papier ist ersichtlich, wie sich das Wetter entwickeln wird. Unter dem Flieger zieht Paris vorbei, eine schwere Wolkendecke versperrt die Sicht, über dem Flieger ist der Himmel blau. Es ist eine andere Welt, in der sich die Piloten Tag für Tag bewegen.
Der Autopilot arbeitet, Grünewald nippt an seinem Kaffee, Geisendörfer pickt mit der Gabel Salatblätter aus einer Plastikschale. Wer Pilot werden wolle müsse fit sein und ein Allround-Talent und dürfe nicht die Eintönigkeit scheuen. "Man muss die Gleichförmigkeit ertragen können."
Der Flieger nähert sich Lissabon und Grünewald hebt den Arm. Bei Landung oder Start sprechen die Piloten nicht. Sie konzentrieren sich. Grünewald zieht den Airbus über die Stadt hinweg raus auf den Atlantik, fliegt einen "Turn" und dann auf den Flughafen zu, der jetzt nordöstlich liegt. Gefährlich nah scheint das Flugzeug über die Brücke des 25. Aprils hinwegzufliegen. Die roten Dächer der Lissabonner Häuser rücken näher.
Davor, dass sie das Flugzeug nicht heil zu Boden bringen könnten, sorgen sich Grünewald und Geisendörfer nicht. Nur einmal musste Grünewald sich bisher wirklich Sorgen machen. Damals fuhr kurz vor der Landung das Fahrwerk nicht aus. "Wir konnten die Situation dann doch lösen", erzählt er später. "Für solche Fälle werden wir trainiert."
Zurück am Boden programmiert Geisendörfer den Autopilot für die Rückreise, Grünewald wirft sich die Warnweste über, dreht eine Runde ums Flugzeug, wirft einen Blick in die Turbine. Er will ausschließen, dass der Airbus während des Flugs beschädigt wurde, zum Beispiel durch Vogelschlag. Unter dem Flugzeug hat sich eine kleine Pfütze gebildet. Grünewald bückt sich und prüft die Flüssigkeit mit dem Finger. "Nur Wasser", sagt er.
Nach einer halben Stunde sitzt Grünewald wieder im Cockpit, nach einer weiteren Viertelstunde geht es heimwärts - die Wolkendecke über Paris ist aufgerissen - nach zweieinhalb Stunden werden die vielen Lichter des Köln/Bonner Flughafens sichtbar und Grünewald hebt den Arm.