Sporthistorie Als Barmen die „Tangogeiger“ wegfidelt
Wuppertal · Für ein Buch recherchiert der Argentinier Gustavo Barr über das 6:3 von ASV-Vorgänger SSVg Barmen gegen Buenos Aires im Jahr 1931.
Man stelle sich vor, die Fußballer des Maradonna-Clubs Boca-Juniors gäben ein Gastspiel in Wuppertal und spielten dabei auf Asche? Nicht zu glauben? Doch das gab es schon. Vor 88 Jahren, am 2. Februar 1931, gab der damalige Argentinische Meister Gymnasia y Escrima La Plata Buenos Aires - der älteste südamerikanische Fußballclub überhaupt - ein Gastspiel bei der SSVg Barmen. Die Argentinier befanden sich als Belohnung für die im Jahr zuvor erstmals eingefahrene Landesmeisterschaft auf Europatournee, hatten nach 30-tägiger Schiffsreise schon den FC Barcelona und Real Madrid besiegt und erlebten an der Barmer Schützenstraße ihr Waterloo. 8000 erwartungsfrohe Zuschauer rieben sich die Augen, als die heimischen Blau-Gelben die argentinischen „Tangogeiger“ mit 6:3 aus dem Takt brachten, wie es damals in so manchem Bericht genüsslich hieß.
Eine Ausstellung in Buenos Aires zeigte Geschenke aus Wuppertal
Der argentinische Fußball-Historiker Gustavo Barr Rodriguez hat sich jetzt für ein Buch erneut auf Spurensuche begeben, um die damalige Europareise der Argentinier im Detail aufzuarbeiten. Dass die Geschichte in Buenos Aires weiter auf Interesse stößt, zeigte eine Ausstellung im Stadion von Gymnasia Y Escima im Jahr 2017, bei der Relikte der damaligen Reise gezeigt wurden. Unter anderem Zeitungsartikel der Partie in Barmen sowie einige Geschenke, die die Gäste damals erhalten hatten. Beispielsweise eine Gedenkplatte, die von Adam Donner hergestellt wurde. Die Wuppertaler Firma vertreibt bis heute ihre Stempel und Schilder mit großem Erfolg.
Barr wandte sich an den Westdeutschen Fußballverband - und dessen Historienfachmann Ulrich Clemens an unsere Zeitung. Die Chance, direkte Augenzeugen zu finden, dürfte 88 Jahre nach dem Geschehen bei Null liegen, doch vielleicht weiß der ein oder andere Barmer noch aus den Erzählungen seines Vaters oder Großvaters von der Partie zu berichten, die als größte überhaupt in die Geschichte der 1906 gegründeten SSVg einging und damals eine Sensation war.
So wie Horst Mahler, der Vorsitzende des ASV-Ehrenrats und ein ehemaliger Blau-Gelber, bevor die SSVg Barmen zusammen mit Viktoria Wuppertal, Eintracht Wuppertal und dem VfB Wuppertal im Jahr 1970 in dem neuen Barmer Großverein aufging. „Ja, mein Vater war damals als Zuschauer dabei. Heute kaum zu glauben, dass da wirklich 8000 Zuschauer am Platz waren. Aber damals gab es dort ja sogar eine Tribüne“, berichtete Mahler unserer Zeitung. Laut Erzählung seines Vaters sei vor dem Spiel sogar ein Ball per Flugzeug über dem Platz abgeworfen worden, wobei Mahler nicht mehr ganz sicher ist, ob wirklich diese Partie gemeint war.
Schwarz auf Weiß hat Karl Adolf Grünewald noch Dokumente vom damaligen Spiel. Der letzte Vorsitzende der SSVg und langjährige Spielausschussobmann und Betreuer beim ASV war damals selbst schon auf der Welt, allerdings erst ein Jahr alt. Er hat die Jubiläumshefte der SSVg gesammelt und das älteste Schätzchen von 1931 - zum 25. Geburtstag des Vereins - sorgfältig in einer Schutzhülle aufbewahrt. Die SSVg spielte damals in der höchsten regionalen Liga, der Bergischen Bezirksliga, hatte zwei Jahre zuvor Fortuna Düsseldorf den Aufstieg vermasselt. Nun vermasselten sie Gymnasia Escrima den nächsten Sieg ihrer Europareise, wobei so mancher Chronist rätselte, ob das nun wirklich ihre beste Elf war, die die mit einigen Nationalspielern besetzten Argentinier da aufboten. Star des Tages war jedenfalls SSVg Stürmer Franz Linken, der nach der frühen 2:0-Gästeführung mit vier Toren bis zur Halbzeit den Spieß herumdrehte.
Große Begeisterung an der Schützenstraße, wo im übrigen seit ein paar Jahren kein Fußball mehr gespielt wird. Auf der städtischen Fläche laufen gerade die Vorbereitungen zum Bau eines Altenheims und einer Kindertagesstätte. Gustavo Barr hofft indessen aus der Geschichte des Platzes und des größten Spiels, das dort wohl je stattgefunden hat, noch einiges auszugraben.