Crossboccia: Eine Stadt wird zum Spielfeld
Timo Beelow hat Crossboccia erfunden. Die neue Sportart macht Spaß und hat das Zeug zum Trendsport.
Wuppertal. Was hätte wohl der Adenauer dazu gesagt. Mit fliegenden Bocciakugeln und dem Pepitahut auf dem Kopf ließ sich der alte Herr gerne in voller Dynamik beim Zeitvertreib ablichten, um seinen Wählern Vitalität zu demonstrieren. Doch Adenauers Ur-Urenkeln ist diese Idylle im Park längst nicht mehr genug. Mit Crossboccia erobern sie die Elberfelder Innenstadt, suchen sie Herausforderungen in den Straßenschluchten und führen das alte Spiel in ganz neue Dimensionen.
Und wer hat es erfunden? Ein Wuppertaler Student. Timo Beelow hat vor einem Jahr im Urlaub den Urball geworfen. Das war ein Jonglierball, einer der so genannten Hacky Säcke, die mit einer Granulatmasse gefüllt sind und sich herrlich knautschen lassen. Die Sache machte Spaß und die Spielidee wurde genauso wie Regeln und Urball in den Wintermonaten verfeinert. Seit dem Frühjahr wird nun mit Crossboccia-Bällen gespielt. Das sind Spezialanfertigungen in sechs verschiedenen Designs, die in Asien hergestellt werden. Die Bälle wiegen 115 Gramm, lassen sich bei Bedarf ein Stück rollen, bleiben aber nach dem Wurf relativ nahe am Ort der Landung liegen. Und dies ist für das Spiel im offenen Gelände von entscheidender Bedeutung. Crossboccia lässt sich tatsächlich in der freien Wildbahn der Städte spielen. Im Gegensatz zu Crossgolf oder Cross-Fußball, die aufgrund der rollenden und möglicherweise extrem weit fliegenden Bälle unberechenbar und unkontrollierbar bleiben, ist Crossboccia kalkulierbar. Klirrende Scheiben und Querschläger sind nicht zu befürchten, Spiel und Spieler kommen auf leisen Sohlen daher.
Der Spaßfaktor ist groß, was eine kurze Spielrunde im Luisenviertel zum Erlebnis macht. Das Schweinchen, der Zielball, landet auf einer der unteren Stufen des Tippen-Tappen-Tönchen. Beim Wurf ist nun vor allem Präzision gefragt. Und wie immer, wenn es bergab geht, dann rollt der Ball eventuell noch den entscheidenden Zentimeter. Wenig später muss dann am Haus der Jugend an der Bergstraße eine Bande einbezogen werden. "Geht nicht, gibt es bei uns nicht. Richtig reizvoll wird die ganze Angelegenheit immer dann, wenn das Spiel in die dritte Ebene geht", sagt der Erfinder Timo Beelow, der sich über die vielen erstaunten Blicke der Passanten und einiger spielender Kinder freut. Die Zuschauer staunen Bauklötze, wenn die bunten Bälle zum Beispiel von einer Brücke in einen Hinterhof in Richtung des Schweinchens fliegen. Jeder Spieler hat drei Bälle, wer mit seinem besten Ball am nächsten am Schweinchen liegt, erhält einen Punkt.
"Die Reaktionen sind durchweg zustimmend", freut sich Beelow. "Lasst euch die Sache patentieren", ruft ein junger Mann den sechs Spielern zu, nachdem er sich einen Reim auf deren Aktionen gemacht hat. Der Groschen fällt in Windeseile, die Spielidee ist überzeugend. "Es wird nie langweilig, man kann praktisch überall spielen, auch innerhalb von Gebäuden", sagt Timo Beelow, der die Ausrüstung für Crossboccia im Internet anbietet. 20 Euro kosten drei Bälle und ein Zielball. Wer im Besitz der Bälle ist, muss sich seine Stadt dann nur noch als großes Spielfeld vorstellen. Und diese Erfahrung macht fast am meisten Spaß.