Leichtathletik In 194 Tagen zum Marathon in Berlin
Wuppertal · WZ-Redakteur Gordon Binder-Eggert berichtet von seinem Training für die Königsdisziplin.
„#DeinErsterMarathon - du bist dabei“ – ich lese diesen E-Mail-Betreff inmitten der Redaktionskonferenz und muss mich zusammenreißen, um nicht einen Freudensprung aus dem Bürostuhl zu machen. „Wow“, denke ich mir, „was für eine Chance“. Doch schnell weichen die Glücksgefühle einer gehörigen Portion Respekt. Wer schon einmal einen Zehn-Kilometer-Lauf oder gar einen Halbmarathon absolviert hat, weiß, wie anspruchsvoll die Distanz von 42,195 Kilometern ist. Und ich, blutiger Anfänger, was das Laufen angeht, habe bis zur Teilnahmebestätigung am Berlin Marathon, der am 27. September stattfindet, höchstens ein paar Mal zehn Kilometer zurückgelegt. Mehr nicht.
Jetzt ist sie also vorbei, die Zeit des Ausruhens. Vor der Arbeit heißt es Gassigehen mit dem Hund, nach der Arbeit geht es auf zur Laufrunde. Im Dunkeln, im Regen. Bald hoffentlich wieder im Hellen, bei Sonnenschein. Rund 20 bis 30 Kilometer pro Woche soll ich laufen, später werden es wohl 50 bis 60 in der Woche. Das hat mir Michael Dohr gesagt. Er ist Inhaber von Laufsport Bunert in Hilden und mein persönlicher Ansprechpartner während der Vorbereitung auf den Berlin Marathon. Er hilft mir bei allen Fragen rund ums Training. Und davon habe ich eine Menge.
Aber es sind ja noch 194 Tage bis zum großen Tag. Genug Zeit also, um alle Fragen zu beantworten. Oder sind es am Ende nur noch 194 Tage? „Macht euch keinen Stress“, sagen die Organisatoren immer wieder. „Wichtig ist nur, dass ihr im Ziel ankommt. Die Zeit spielt beim ersten Marathon keine Rolle“, erklärt etwa Chris Anger von der Wuppertaler Bunert-Filiale beim ersten Treffen aller Gewinner. Denn außer mir haben in ganz NRW 24 weitere Frauen und Männer die Chance, am Projekt #DeinErsterMarathon teilzunehmen. Sie wurden aus mehr als 1000 Bewerbungen von Bunert und Adidas Running ausgewählt, die die Aktion finanzieren und uns mit Rat, Tat und Ausrüstung zur Seite stehen.
Natürlich ist das Coronavirus auch bei uns Läufern ein Thema. Die ersten Veranstaltungen, an denen ich zur Vorbereitung teilnehmen wollte, sind bereits abgesagt – verständlicherweise. Der Aufforderung von Michael Dohr, mehr Wettkampferfahrung zu sammeln, kann ich so allerdings nicht nachkommen. Aber nach allem, was man so über den Berlin Marathon liest und hört, wird der Lauf in der Hauptstadt ohnehin ein ganz besonderer. Vermutlich kann man sich darauf gar nicht richtig vorbereiten.
Und auch auf die Gefahr, dass sich die Lage rund um das Coronavirus bis September noch nicht beruhigt hat, will ich das Training komplett durchziehen. Muss ich auch. Denn wer weiß schon, wie es im September aussieht? Außerdem macht es schon jetzt Spaß, die Entwicklung zu sehen. Meine längste bisherige Distanz habe ich inzwischen bereits verdoppelt, auch wenn darin ab Kilometer 15 der eine oder andere langsamere Abschnitt gewesen ist. „Auf die Zeit kommt es nicht an“, wiederhole ich im Kopf immer wieder und versuche weiter Kondition aufzubauen, bis ich meinen persönlichen Trainingsplan bekomme. Der wird allerdings erst nach einer Leistungsdiagnostik erstellt. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Bin ich fit oder nicht? Ist der Marathon für mich zu schaffen? Ich bin frohen Mutes, dass ich, nein, dass alle 25 Teilnehmer, es packen können – wenn Einsatz und Ehrgeiz stimmen. In diesem Sinne heißt es für mich nach einem Song von Woodkid: „Run Boy Run“.