Rollkunstlauf: Sinas Welt auf acht Rollen
In der Disziplin Solotanz ist Sina Vesper (13) in ihrem Alter bundesweit eine Klasse für sich. Ihre ganze Familie lebt für den Sport.
Wuppertal. Mit zehn Monaten konnte Sina Vesper laufen, mit einem Jahr stand sie das erste Mal auf Rollschuhen. Die waren ein Geschenk zu ihrem ersten Geburtstag und eine Spezialanfertigung, denn in Größe 22 waren natürlich noch keine regulären zu bekommen.
Im Hause Vesper dreht sich eben alles um den Kunstlauf auf zwei mal vier Rollen, und dafür wird so gut wie alles möglich gemacht. So lässt es sich erklären, dass Sina Vesper mit jetzt 13 Jahren die beste deutsche Rollkunstläuferin in ihrer Altersklasse in Deutschland ist und auch bei internationalen Meisterschaften auf dem Siegertreppchen steht. Der dritte Platz in diesem Jahr beim Europacup in Gujan-Mestras ist ihr bisher größter Erfolg, Welt- und Europameisterschaften gibt es erst ab dem Juniorenalter.
„Schade eigentlich“, sagt Sina Vesper, die ihr Können nur zu gerne zeigt. An diesem Freitag flitzt sie mit ihren Sportkolleginnen von den Ronsdorfer Roller- dancern durch die Sporthalle Adlerbrücke. „Sina, zeig mal Deine Kür“, sagt Mama Birgit, und schon wird die für den Reporter und den Fotografen mit Eifer und sichtlicher Freude aufs PVC gezaubert. „Rollschuhlaufen ist mein absolutes Hobby, zu viel mehr habe ich außer der Schule auch gar keine Zeit“, sagt der Teenager wie selbstverständlich.
Fünfmal im Sommer, viermal im Winter (wegen der vielen Hallensportarten gibt es dann weniger Kapazitäten) ist sie mit der ganzen Familie für mehrere Stunden in Wuppertaler Hallen beim Training. Mutter Birgit hat aus den Ronsdorfer Rollerdancern inzwischen ein Rollkunstlaufprojekt mit 92 Aktiven gemacht.
Während die einst großen Abteilungen von RSC Cronenberg, BTV oder SSG Ronsdorf inzwischen vor allem breitensportorientiert sind, legen die RRD großen Wert auf Wettkämpfe. Und Sina Vesper ist inzwischen das Aushängeschild der RRD, nachdem ihre Halbschwester Nina mit 28 Jahren ihre Karriere langsam ausklingen lässt.
Die Familie ist Ursprung und Motor von Sinas Leidenschaft für das Rollkunstlaufen. Als ihr Vater Joachim 1993 seine damals zehnjährigen Tochter Nina bei der IG Remscheid zum Rollkunstlauf brachte, da begegnete er dort Birgit, die selbst erfolgreiche Rollkunstläuferin gewesen war und immer mehr ins Trainerfach wechselte. Sie nahm nicht nur Nina unter ihre Fittiche, sondern hatte bald auch Joachim Vesper für sich gewonnen.
Klar, dass auch die gemeinsamen Töchter Sina und Gina (10) das Rollkunstlauf-Gen mitbekamen. Birgit Vesper sorgt als Beamtin bei der Stadt Remscheid für den Unterhalt der Familie, was bei ihrer gleichzeitigen Trainertätigkeit ein unglaubliches Zeitmanagement bedeutet. Und Papa Joachim ist als Hausmann — im eigenen Haushalt wie auch bei den Trainingseinheiten — Mädchen für alles, schraubt etwa die richtigen Rollen unter die Schuhe denn jeder Boden, benötigt eine andere Gummimischung.
„Gina fragt schon mal, ob wir heute gar nicht in die Halle fahren, wenn kein Training ist“, sagt ihre Mutter lachend, und auch Sina muss auf die Frage, ob sie bei so viel Training vielleicht manchmal keine Lust darauf habe, nicht lange überlegen: „Nur wenn nichts klappt“, antwortet sie prompt.
Das könnte allerdings in den nächsten Wochen wieder häufiger vorkommen, denn nun muss die Kür für die neue Saison einstudiert werden. Tanzen und Schrittkombinationen nach Musik — das ist Sinas Welt. Deshalb hat sie sich auch immer mehr auf die Disziplin Solotanz verlegt. Dazu gehören zwar auch zwei Pflichttänze, aber die werden nicht wie bei der Pflicht beim Rollkunstlaufen auf aufgezeichneten Spurbildern gelaufen, sondern frei in der Halle und noch dazu zu Musik.
Anregungen zur neuen Kür erhoffen sich Sina und ihre Mutter nach Weihnachten bei einem ganz besonderen Portugal-„Urlaub“. Ex-Weltermeister Hugo Chapouto hat Sina mit weiteren Talenten aus Europa zum Training nach Porto eingeladen. Birgit Vesper nimmt dazu auch die RRD-Talente Michelle Korszewski (12), Louisa Bauer (15) und Rosangela Noia (16) mit und natürlich auch Ehemann Joachim und Tochter Gina. „Wir machen in der Familie alles gemeinsam“, erläutert sie. So erklärt sich auch der Weihnachtswunsch ihrer Töchter, für den diese auf andere Geschenke verzichteten.
„Wir haben uns gewünscht, dass wir nach Portugal fliegen“, sagt Sina und schiebt nach: „Sonst sind wir auch ins Ausland immer mit unserem Kleinbus gefahren.“ Anders ließe sich der Sport der Vespers auf diesem Niveau nicht finanzieren. Der erste Flug ist also für die Kinder etwas ganz Besonderes und angesichts sonst benötigter 30-Autostunden fängt der Urlaub viel früher an.