Sportmediziner So wird Sport im Winter zum gesunden Erlebnis

Wuppertal · Sportmediziner Professor Thomas Hilberg von der Bergischen Uni erklärt im Interview, was Freizeitsportler im Winter beachten sollten. Und er sagt, bei welchen Temperaturen es bedenklich wird.

Freizeitsportler sollten aber einige Ratschläge beherzigen, um  Gesundheitsrisiken zu minimieren .

Foto: Alex Ehlers

Winter in Wuppertal, für viele Freizeitsportler kein Hinderungsgrund, draußen zu laufen oder Fahrrad zu fahren. Wir sprachen mit dem Leiter des Lehrstuhls für Sportmedizin an der Bergischen Universität Wuppertal, Professor Thomas Hilberg, darüber, was dabei zu beachten ist.

Biathleten tragen bei minus 15 Grad und weniger ihre Wettbewerbe aus. Gibt es eine Grenze, wo sie Freizeitsportlern sagen würden - bleib lieber drinnen?

Thomas Hilberg: Bis minus zehn, minus 15 Grad sind die Bedenken sicherlich geringer. Danach sollte man sich gut überlegen, warum man als Freizeitsportler nach draußen geht. Bei minus fünf bis minus zehn Grad kann es aber sogar ein besonderes Erlebnis sein, gerade wenn ein bisschen Schnee liegt. Das kann einen besonderen Reiz für die Psyche setzen.

Was ist bei Kälte trotzdem zu beachten?

Hilberg: Der Sportler muss auf jeden Fall darauf achten, dass er die Wärme im Körper behält, also Auskühlung vermeidet. Das tut er schon mal durch eine adäquate Kleidung. Da ist das Zwiebelschalenprinzip mit mehreren Schichten übereinander sinnvoll. Und er sollte Kleidung wählen, die Feuchtigkeit nach außen abgibt und umgekehrt eine Windstoppfunktion hat. Dann ist auch wichtig, dass man am Ende der Belastung oder bei geringerer Intensität noch etwas zusätzlich anzuziehen hat, um nicht zu frieren.

Wie ist es mit einer Kopfbedeckung?

Hilberg: Ein ganz wichtiges Thema, weil ein Großteil der Wärme über den Kopf verloren geht. Deshalb ist die Mütze absolut sinnvoll. Ich finde sie noch wichtiger als Handschuhe, wobei ich die ebenfalls empfehlen würde.

Welche besonderen Effekte treten in der Kälte auf?

Hilberg: Ein Organ, das man auf jeden Fall beachten sollte, ist die Lunge. Man verliert bei Kälte sehr viel Wasser über die Lunge. Die Schleimhäute der Lunge und der oberen Luftwege trocknen aus. Sie kann zu einer Asthmaproblematik führen, durch eine Verengung der Luftwege.

Wie kann man dem entgegenwirken?

Hilberg: Indem man nicht so hohe Intensitäten wählt und wenn möglich durch die Nase atmet, um die Luft zu erwärmen, bevor sie auf die Schleimhäute trifft. Wenn die Luft über den Mund eingeatmet wird, trifft sie direkt auf die Bronchien, die dann vermehrt austrocknen. Dort können dann auch noch vermehrt Viren und Bakterien besser angreifen.

Steigt das Erkältungsrisiko also durch Draußensport?

Hilberg: Es steigt sicherlich durch die Austrocknung der Schleimhäute. Dies gilt nicht nur für Draußen, sondern auch für das Klima in unseren Wohnungen, wo die Luftfeuchtigkeit bei kalten Außentemperaturen meist ebenfalls geringer ist. Das ist ein Grund, warum wir insgesamt mehr Erkältungen im Winter haben. Hinzu kommt, je mehr Menschen um mich herum erkältet sind, desto größer ist die Ansteckungsgefahr

Kann man sich abhärten?

Hilberg: Bedingt. Man kann die Reaktionsfähigkeit auf Temperaturwechsel unterstützen. Außerdem ist die Nasenatmung ein wichtiger Punkt.

Wie wichtig sind Getränke?

Hilberg: Sehr wichtig. Das unterschätzt man im Winter. Auch da geht über die Schleimhäute viel Flüssigkeit verloren. Das sieht man am Atem. Man kann in etwa sagen, pro halbe Stunde Sport benötigt der Körper 400 bis 500 Milliliter. Um nicht gleich negativ zu starten, ist es vielleicht sinnvoll, vorher ein kleines Glas zu trinken.

Sollte man also auch im Winter sein Trinkfläschchen mitnehmen?

Hilberg: Ja. Die Frage ist aber auch die Länge der Belastung. Irgendwann kommt die Kälte an den Füßen, an den Händen oder im Gesicht an. Vor allem bei den Radfahrern.

Und wenn man eine Infektion hat?

Hilberg: Infektion und Sport vertragen sich nicht. Wer eine Infektion hat, muss eine Sportpause einlegen.

Gilt das schon bei laufender Nase?

Hilberg: Das ist eine Abwägung. Wenn die Nase etwas läuft, man sich ansonsten aber topfit fühlt, kann man das überlegen. Wenn man aber Fieber hat, Lympfknotenvergrößerungen oder gelblich-grünen Auswurf, ist eine Sportpause einzulegen. Das ist ein ganz wichtiges Thema, weil wir wissen, dass ein Gutteil der Viren, die wir bei Erkältungskrankheiten haben, auch das Herz befallen kann. Und damit ist die Gefahr einer Herzmuskelentzündung höher.

Kann es auch für Leute, die gelenkvorgeschädigt sind, schädlich sein, im Kalten Sport zu treiben?

Hilberg: Eigentlich weniger. Was wichtig ist, ist die Vorbereitung. Bei Kälte braucht der Körper eine längere Zeit, sich aufzuwärmen. Deshalb muss man der Erwärmung eine größere Bedeutung beimessen.

Wie?

Hilberg: Indem man sich mit geringer Intensität warmläuft und das länger macht, bevor man die Intensität steigert.

Und Dehnen?

Hilberg: Das ist eine Philosophie für sich. Manchmal ist dies nach dem Sport viel sinnvoller. Wir wissen, dass vor allem das Erwärmen wesentlich ist. Wenn man das mit ein bisschen Stretching verbindet, ist dies sicher ein guter Einstieg in die sportliche Belastung.

Gibt es Risikogruppen, die lieber im Winter nicht draußen Sport treiben sollten?

Hilberg: Bei Lungenerkrankten mit empfindlichem Bronchialsystem müsste ich mir überlegen, ob es sinnvoll ist. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen muss ich wissen, dass die Belastungen im Winter höher sein können, weil der Körper ja auch noch Wärme produzieren muss. Sie müssen ihre Intensitäten anpassen. Das gilt aber im Prinzip für jeden.