Ultralauf Transalpine-Run: Wie im Tunnel über die Alpen gelaufen
Der Wuppertaler Ultraläufer Chris Anger bestand den Alpine-Run zum zweiten Mal. Tatjana Köneke stieg unterwegs aus.
Wuppertal. Drei Länder, sieben Etappen, 243 Kilometer und 14 973 Höhenmeter. Der Transalpine- Run lockt seit zwölf Jahren bis zu 600 „Laufverrückte“ in die Alpen, bietet ein wahnsinniges Panorama aber auch unglaublichen Strapazen. Auch zwei Wuppertaler haben sich in diesem Jahr darauf eingelassen. Für Chris Anger (46), seit mehr als 15 Jahren passionierter Ultra-Läufer und Triathlet, war es die zweite Teilnahme nach 2007. Tatjana Köneke (47), erst nach der Geburt ihres dritten Kindes 2004 auf den Laufgeschmack gekommen und Lauf- und Fitnesstrainerin im Sportpark, suchte erstmals eine derart große Herausforderung.
Während Anger nach sieben Tagen und insgesamt 38:28 Stunden auf den Beinen in der Mitte des Teilnehmerfeldes erschöpft aber glücklich mit Laufpartner Till Supan das Ziel in Brixen erreichte, kam für Tatjana Köneke bereits am zweiten Tag der „Cut-off“, als sie nach Magenbeschwerden die erste Mindestzeit nicht einhalten konnte. Weitere drei Etappen machte sie außer Konkurrenz mit, bestieg nach dem fünften Tag aus Südtirol den Zug zurück nach Wuppertal. Zwei Läufer mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen, die einige gleiche aber auch viele unterschiedliche Eindrücke mitbrachten.
„Die schönsten Augenblicke sind immer, wenn du noch Kraft in den Beinen spürst, ins Ziel läufst und weißt, da geht noch ’was“ berichtet Anger. Ein großes Glück sei es noch dazu, wenn man auf der Strecke mit dem Laufpartner harmoniere. Eine der schwierigsten Aufgaben beim Transalpine-Run, der im Zweier-Team gelaufen wird. Anger, der das Laufsportgeschäft Bunert in Elberfeld führt, hatte sich mit Till Supan, einem seiner Laufschuhvertreter aus Essen, zusammengetan. „Wir haben schnell gemerkt, dass er stärker am Berg ist, während ich bergab mehr Tempo machen kann. Nach dem vierten Tag mit der Gletscheretappe und extrem schwierigem Aufstieg auf rutschigem Schnee habe man darüber geredet und eine gemeinsame Strategie gefunden. Anger führte, Supan gab bergab Bescheid, wenn es ihm zu schnell wurde. Anger: „Ein echtes Privileg. Wir haben Ehepaare erlebt, die sich unterwegs angeschrien haben, teilweise habe der Mann die Frau permanent geschoben.“
Tatjana Köneke berichtete ebenfalls davon, dass es nicht einfach gewesen sei, mit ihrer Facebookfreundin und Laufpartnerin Bettina Mecking ein gemeinsames Tempo zu finden. Schon am zweiten Tag hätten sich ihnen zwei Männer angeschlossen, deren Mixed-Team bereits auseinandergebrochen waren. Am dritten Tag war auch sie dann ’raus: „Ich hatte morgens schon Magenprobleme, nachdem ich eine ganze Schmerztablette genommen hatte.“ Die hatte ihr der Arzt empfohlen, weil sie nach üppigem Bergtraining zuvor schon mit permanenten Knieschmerzen ins Rennen gegangen war. Sie musste sich unterwegs übergeben, ließ ihre Gruppe laufen, nahm das Rennen dann aber wieder auf. Riesig die Enttäuschung, als sie an der ersten Durchgangsstation die Mindestzeit knapp verfehlt hatte. „Die sollte nach 15 Kilometern kommen, laut meiner GPS waren es aber 19“, berichtet sie von dieser Königsetappe über fast 50 Kilometer. Sie lief dennoch weiter, ließ sich nach acht Stunden von einer Hütte vom Shuttle an einer Hütte abholen und stand am nächsten Morgen wieder am Start. „Ich wollte einfach über den Gletscher“, sagte sie, außerdem sei da die Schwelle gewesen, für den großen Aufwand mit monatelanger Vorbereitung und 1500 Euro Startgeld pro Paar nicht so früh aufzugeben. Immer wieder lauwarmes Wasser trinken, Elektrolyte zuführen, Magenprobleme, das habe ihr aber den Rest geben. „Für wen machst Du das? Du musst Dir nichts mehr beweisen“, habe Sie sich nach der fünften Etappe, auf der sie am Ende unverhofft Laufpartnerin Bettina Mecking wiedertraf, gesagt. In Tränen aufgelöst war sie abends bei einem Telefonat von ihrem Ehemann Bernd bestärkt worden, der ihr für den nächsten Tag gleich eine Zugverbindung heraussuchte.
Immer wieder zur richtigen Zeit Flüssigkeit und Kohlenhydrate zuführen, da hat Chris Anger natürlich einen riesigen Erfahrungsschatz. Für ihn sei es, außer ganz kurz auf der Gletscheretappe, auch nie ein Gedanke gewesen, den Lauf vielleicht abzubrechen, auch wenn man immer wieder an seine Grenzen komme. Als er sich auf der fünften Etappe mit seinem Laufpartner bergab Richtung Passeier-Tal in einen regelrechten Flow lief, war es für ihn das Größte. „Klasse, was der Körper leisten kann. Viele Teams, die wir überholt haben, haben uns sogar applaudiert“, berichtet er. Zu den schönsten Erlebnissen habe zudem abends der Austausch mit anderen Läufern gehört.
Deshalb würde Anger, dem noch viele Ultraprojekte vorschweben, wohl auch nicht nein sagen, wenn sich wieder die Gelegenheit für einen Transalpin-Run ergäbe. Nur eines stellt er selbst in Frage: „Du rennst durch eine überwältigende Landschaft und hast doch oft nur Augen für Deinen schmalen Track.“