Lukas: Ein (Schüler)-Leben als Hochbegabter
Lukas Weber (12) ist seinen Altersgenossen geistig um Jahre voraus. Das macht seinen Schul-Alltag nicht einfacher.
Wuppertal. Irgendwann begannen Lukas Eltern sich zu wundern. "Als mir die Lehrer erzählt haben, wie mein Sohn sich in der Schule benimmt, habe ich ihn überhaupt nicht wiedererkannt", erinnert seine Mutter Andrea Weber. Lukas störte häufig den Unterricht, löcherte die Lehrer mit endlosen Fragen und wurde sauer, wenn er das Gefühl bekam, ungerecht behandelt zu werden. Schließlich gingen seine Eltern mit ihm zur Familienberatung. Dort stellte man bei Lukas eine hohe Sprachkompetenz fest. "Es gab viele Anzeichen, die uns hätten stutzig machen sollen", sagt sein Vater Uwe Weber heute. Vorwürfe macht er sich aber keine. Erst ein Test vor rund einem halben Jahr brachte mit einem Mal Klarheit.
Der heute zwölf Jahre alte Lukas ist hochbegabt, sein Intelligenzquotient (IQ) liegt bei über 140. Normal sind Werte zwischen 90 und 110. Für Lukas war das Ergebnis ein Schock: "Ich hatte das Gefühl, kein normaler Junge mehr zu sein", erklärt er. Erst durch viele Gespräche mit seinen Eltern begann er langsam, die Situation zu akzeptieren. "Eigentlich hatte sich ja gar nichts verändert", sagt Lukas heute.
Lukas Freunde sind fast alle älter als er - mit Gleichaltrigen weiß er oft nichts anzufangen. Wie schwer das Leben mit und für einen Hochbegabten sein kann, dessen geistiges Niveau um fünf oder sechs Jahre über dem seiner Mitschüler liegt, weiß Diplom-Psychologe Hagen Seibt. "Hochbegabte Kinder haben oft niemanden, mit dem sie ihre Seele austauschen können, und leiden sehr darunter", erklärt der Fachmann. Während betroffene Mädchen sich meist zurückziehen, werden gerade Jungen aggressiv, weil sie kein angepasstes Sozialverhalten entwickelt haben.
Dabei haben Lukas und seine Eltern Glück noch Glück gehabt. Seit sie von seiner Hochbegabung wissen, besuchen sie regelmäßig den Gesprächskreis für das hochbegabte Kind, wo sie auf viele andere betroffene Familien treffen. "Viele dieser Familien haben weitaus mehr Probleme als wir", erklärt Uwe Weber. Lukas dagegen ist weder aggressiv, noch zieht er sich in sich zurück. Er spielt regelmäßig Handball, interessiert sich für Geschichte und hat auch seine Ritterburg noch nicht weggepackt.
Nur in der Schule, da läuft es nach wie vor nicht gut. Lukas ist ein so genannter Underachiever (Minderleister), der sein vorhandenes Potenzial noch nicht nutzen kann. "Das muss man sich so vorstellen, als hätte man ein Auto mit 500 PS, aber keinen Führerschein", erklärt seine Mutter. Unzählige Lösungswege gehen Lukas zum Beispiel bei einer Klassenarbeit durch den Kopf und verwirren ihn. Immer wieder ist seine Versetzung gefährdet.
"Viele Lehrer wissen nicht, wie sie mit einem hochbegabten Kind umgehen sollen und sind überfordert", kritisiert Andrea Weber. Auch Lukas Eltern haben viel lernen müssen. "Wenn er etwas machen soll, dann muss er vorher genau verstehen, wozu es gut ist. Ich habe erst lernen müssen, ihn zu behandeln wie einen jungen Erwachsenen", sagt sein Vater und ist zuversichtlich. "Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um ihn."