Manchmal sind #metoo und Ausgrenzung nah beieinander

„Mädchen in Not“ ist das nächste Stück, das das Wuppertaler Schauspielensemble auf die Bühne bringt.

Foto: Fischer

Von der Superheldin, die für das Gute kämpft, bis zur Täterin dauert es manchmal nicht mal anderthalb Stunden. „Mädchen in Not“ ist ein zwischen #metoo und Ausgrenzung angelegtes, sehr aktuelles Stück. Am 29. März hat es im Theater am Engelsgarten Premiere. Ein Stück, das mit seiner Themenvielfalt, seinen literarischen Bezügen, seiner politischen Aktualität (fast) überfordert. Mit seiner lustig-grotesken Spielfreude passt es aber genau in das Konzept des Ensembles um Thomas Braus. Genauso wie seine Autorin, die 39-jährige Anne Lepper, die durch Studium einen Bezug zu Wuppertal hat und damit wie andere Mitwirkende der Produktion einen Herzenswunsch des Intendanten erfüllt.

Die Ausschreitungen der Silvesternacht von Köln 2015/2016 haben Deutschland verändert. „Nach Köln kann man doch kein Gedicht mehr schreiben“, heißt es in Anne Leppers Theaterstück „Mädchen in Not“, das sie 2016 in ihrem typisch collage-artigen und atemlosen, mit Anspielungen reichen Stil schrieb. Im selben Jahr in Mannheim uraufgeführt gewann es 2017 den Mülheimer Dramatikerpreis. Es erzählt die Geschichte der emanzipierten Baby, die Puppen echten, weil nervenden Männern als Partner vorzieht. „Was heiter und komikhaft beginnt“, erklärt Dramaturgin Barbara Noth, „zieht sich zu“. Es gibt Probleme bei der Puppenbeschaffung. Weil die echten Männer nicht aufgeben wollen, weil Freundin Dolly sich ebenfalls und zu sehr für die Puppen interessiert, weil sich die Gesellschaft der Freunde des Verbrechens und der freundlich-dämonische Puppenmacher Duran-Duran mit rassistischen, nationalistischen Tönen einmischen. Der Name erinnert zudem bewusst an die britische Popgruppe gleichen Namens, die sich nach einer Figur aus dem Science-Fiction-Film „Barbarella“ benannte. Noth: „Gute Ansätze werden korrumpiert. Baby rutscht peu à peu in eine auch gewalttätige Mittäterschaft ab.“ Hinter dem vordergründigen, schrägen Bild der jungen attraktiven Frau, die lebensgroße Puppen tanzen lässt, steht ein weiteres, tiefergehendes Bild: Die Puppen stehen für Entmündigte, Ausgegrenzte, Verlierer. Für Ausländer, die zu Opfern werden.

Als sich Regisseur Peter Wallgram des vielschichtigen Stücks annahm, fühlte er sich als „moderner, aufgeklärter Mann“ herausgefordert, musste immer wieder seine eigene Position justieren. Musste sich einen roten Faden, eine stringente Erzählung erarbeiten, die er nun auf die kleine Bühne im Engelsgartentheater bringt. Dabei soll der Humor aber nicht zu kurz kommen, auch wenn das Lachen ab und an im Hals stecken bleiben könnte.

Das Bühnenbild hat einen starken filmischen Schwerpunkt, der die Erzählung im Raum fortsetzt. Dafür hat Jörg Schütze (Visuals) auch selbst programmiert und mit Sandra Linde (Bühnenbild & Kostüme) das Computerspielemuseum Binarium in Dortmund aufgesucht. Mit der Folge, dass es auf der Bühne viele Räume gibt, die an die Bausteinoptik des Open World-Spiels Minecraft erinnern. Außerdem, erklärt Sandra Linde, gebe es ein großes Fenster, zum Weltall in Anlehnung an „Barbarella“, und als Computerbildschirm. Und die Kostüme? Die trügen zur Überhöhung der Figuren bei, meint Linde zurückhaltend und weckt Neugier.

Auf der Bühne steht außer den Schauspielern erstmals ein sechs Personen starker Sprechchor, gecastet aus Laien, die seit Anfang des Jahres proben „und eine ganz tolle Sache machen“, so Wallgram.