Wuppertalerin zu Gast in Berlin Marion Fabricius besucht den Bundespräsidenten
Frank-Walter Steinmeier hat die ehrenamtliche Betreuerin von Gefangenen zum Neujahrsempfang eingeladen.
Es sind Mörder, mit denen sie spricht. Alles Lebenslängliche, von denen einige ihre Opfer auf brutale Weise ums Leben gebracht haben, weshalb das Gericht ihnen eine besondere Schwere der Schuld attestierte. Sie werden deshalb nicht wie andere Lebenslängliche das Gefängnis nach 15 Jahren vorzeitig verlassen. Mit solchen Menschen wollen nur ganz wenige zu tun haben. Marion Fabricius (54) gehört dazu.
Seit neun Jahren lädt die Ehrenamtlerin die Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Remscheid in eine Gesprächsgruppe ein. Für Donnerstag erreichte sie deshalb selbst eine Einladung: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sie zum Neujahrsempfang ins Schloss Bellevue nach Berlin eingeladen.
„Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht“, erzählt die Wuppertalerin, die seit 23 Jahren an der Sophie-Scholl-Gesamtschule in Solingen Deutsch und Kunst unterrichtet und zudem Referendare zu Lehrern ausbildet. Doch als sie das Schreiben aus dem Bundespräsidialamt weiter durchlas, wurde ihr klar: Es hatte sie jemand vorgeschlagen, der ihre Arbeit in dem Lüttringhauser Gefängnis zu schätzen weiß: Anstaltsleiterin Katja Grafweg.
Am Mittwoch ist Marion Fabricius mit Ehemann Christoph deshalb nach Berlin gereist. Bundespräsident Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender werden ihr und rund 70 anderen Bürgern, die sich um das Gemeinwohl besonders verdient gemacht haben, am Donnerstag ihren Dank aussprechen. „Ich fühle mich wirklich beschenkt“, sagt Marion Fabricius. „Und ich bin gespannt auf das, was mich erwartet.“
Umgang mit Schuld ist
ein wiederkehrendes Thema
Eigentlich hatte sie damals in der Entwicklungshilfe arbeiten wollen, erzählt die Lehrerin. Aber die Kinder – heute 22 und 17 Jahre alt – waren klein. Dann wurde die JVA Ronsdorf gebaut. Marion Fabricius engagierte sich zunächst im Jugendstrafvollzug, bot dann auf die Bitte des katholischen Geistlichen Kurse für Religion und Kunst im Gefängnis von Lüttringhausen an.
Heute ist es eine Gesprächsgruppe, die sie dort leitet. Alle drei Wochen kommt sie mit neun Häftlingen zusammen: Männer im Alter von 30 bis 60 Jahren, einige sitzen seit 18, 19 Jahren hinter Gittern. Keiner von ihnen leugnet die Tat, die er begangen hat. Der Umgang mit der eigenen Schuld ist deshalb ein wiederkehrendes Thema in der Gruppe. Doch manchmal ist auch ganz praktischer Rat gefragt: Wenn die erwachsen gewordene Tochter dem Verlobten vor der Hochzeit beichten will, dass der angehende Schwiegervater hinter Gittern sitzt, zum Beispiel.
„Diese Männer sind nicht nur Mörder. Unter ihnen sind zum Beispiel auch Familienväter“, sagt Marion Fabricius. Doch gerade von denen, die viele Jahre absitzen müssen, wenden die Familien sich oft ab. Die Männer haben deshalb nur wenige oder keine Kontakte in die Welt draußen. Umso wichtiger sind ihnen die Gespräche mit Marion Fabricius und den Mithäftlingen in der Gruppe.
Dass ihre Gruppenleiterin nach Berlin fährt, um den Bundespräsidenten zu treffen, erfüllt die Männer deshalb mit stolz. Scherzhaft boten sie sich ihr als Geleitschutz an; sie hätten auch Zeit. Doch dahinter steckt mehr. Mit der Einladung ins Schloss Bellevue werden auch sie dort zum Gesprächsthema. Menschen, mit denen sonst nur ganz wenige zu tun haben wollen.