„Zeigt Flagge, lasst uns unser Grün erhalten“ Protest am Marscheider Wald in Wuppertal: Anwohner wehren sich gegen geplantes Gewerbegebiet
Wuppertal · Anwohner luden zum Spaziergang entlang des möglichen Gewerbegebiets Jägerhaus/Linde ein – Aufruf stieß auf regen Zuspruch.
So sehr die Anwohner am Marscheider Wald die Pläne für ein Gewerbegebiet im Bereich Jägerhaus/Linde auch belasten mögen, über mangelnde Rückendeckung oder zumindest öffentliches Interesse an dem Thema können sie sich nicht beklagen. Zu einem etwa drei Kilometer langen Spaziergang durch das Naherholungsgebiet fanden sich am Sonntagnachmittag rund 150 Menschen ein, um sich über die drohende Ausweisung eines 29,4 Hektar großen Areals zu einem Gewerbegebiet zu informieren. Auf Tafeln listete die Hofgemeinschaft die Pläne für das Gewerbegebiet und die damit verbundenen Eingriffe in die Natur auf.
„Wir freuen uns über das rege Interesse“, begrüßte Sonja Milow die Anwesenden. Milow hat einen landwirtschaftlichen Betrieb am Marscheider Wald, von der Ausweisung eines Gewerbegebietes wären nach ihren Angaben 75 Prozent ihrer Flächen betroffen. Sie sieht ihre wirtschaftliche Existenz durch die Pläne der Stadt bedroht. Seit 1790 gebe es den Hof am Marscheider Wald. „Nun will auch meine Tochter den Hof übernehmen“, sagte sie. Sollte dort allerdings ein Gewerbegebiet entstehen, seien solche Pläne Makulatur.
Doch nicht nur persönliche Gründe sprächen für den Erhalt des Naherholungsgebietes, betonte Sonja Milow. Das Areal im Bereich Jägerhaus/Linde gehöre zum „Grüngürtel Wuppertals“ und leiste einen wichtigen Beitrag, um die Folgen des Klimawandels zumindest abzufedern. Um die Rolle des Areals als Naherholungsgebiet zu unterstreichen, beteiligten sich auch die Reiterhöfe an dem Spaziergang und stellten entlang des Kurses Pferde sowie Reiterinnen und Reiter auf – sozusagen als Mahnmal für den Erhalt des Status Quo.
Das Areal liegt in einem Landschaftsschutzgebiet
Das Areal Jägerhaus/Linde ist eine von sechs „Potenzialflächen“, die Stadt und Verwaltung in einem Workshop-Verfahren definiert haben. Hintergrund ist, dass Wuppertal laut einer Berechnung der Bezirksregierung Düsseldorf rund 120 Hektar an Gewerbeflächen zu wenig hat. Die sechs benannten möglichen Standorte für Gewerbegebiete hätten eine Gesamtfläche von 129 Hektar.
Auf Unverständnis stößt bei der Hofgemeinschaft auch, dass das vorgeschlagene Areal Jägerhaus/Linde in einem Landschaftsschutzgebiet liegt und der Marscheider Bach als Flora-Fauna-Habitat ausgewiesen ist – also als ein Gebiet, das noch strengeren Naturschutzauflagen unterliegt. Dort fänden sich unter anderem seltene Tierarten wie Dachs, Schwarzstorch oder Roter Milan, betonte Milow. Zudem liegen dort Quellen für den Marscheider Bach, die vor dem Kontakt mit abfließendem Wasser aus dem potenziellen Gewerbegebiet geschützt werden müssten.
Anwohner Carsten Neubauer verwies beim Spaziergang, der in Form eines Kreuzwegs an verschiedenen Stationen entlangführte, unter anderem auf die „starke Topographie“ in dem Plangebiet. Um hier ein Gewerbegebiet zu schaffen, müsste großflächig Erde abgetragen werden, zudem seien – je nach Planungsvariante des beauftragten Ingenieurbüros – nur 23 bis 35 Prozent der ausgewiesenen Fläche des Gewerbegebietes auch tatsächlich nutzbar. Sinnvoller wäre nach Ansicht der Anwohner deshalb die Wiederbelebung der bereits bestehenden Industriebrachen in Wuppertal.
Aus Protest gegen die Pläne der Stadt hat die Hofgemeinschaft auf der Plattform change.org eine Petition gestartet, die bis Montag rund 6400 Unterstützer fand – Ziel sind 7500 Unterschriften. Die Petition soll am 5. September bei der Sitzung des städtischen Ausschusses für Stadtentwicklung und Bauen übergeben werden.
Zudem sucht die Hofgemeinschaft den Schulterschluss mit den betroffenen Anwohnern der anderen fünf Standorte für potenzielle Gewerbegebiete. So rufen sie unter dem Motto „Grün.Stadt.Grau“ für den 30. August ab 17 Uhr zu einer Demonstration vor dem Rathaus in Barmen auf. „Zeigt bitte Flagge, lasst uns unser Grün erhalten!“, erklärte Milow.