Wuppertal Mehr Zeit für Versuche und Verstehen

Am WDG beobachteten Forscher, wie sich eine Unterrichtszeit von 60 Minuten auswirkt. Der Physikunterricht stand dabei im Mittelpunkt.

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Wuppertal. Alles ist relativ — das wusste schon Einstein. Bei der Zeit ist das oft besonders spürbar. Zum Beispiel aus der Schule kennt man dieses Phänomen noch: Im Lieblingsfach waren 45 Minuten schnell vorbei — in anderen fühlten sie sich wie das Doppelte an. Lehrer haben das Problem oft umgekehrt: Gerade einmal die Hausaufgaben überprüft und ein paar Rückfragen beantwortet — schon ist die Hälfte der „Stunde“ vorbei. Und mit dem eigentlichen Unterricht konnte noch gar nicht begonnen werden. An manchen Schulen gibt es daher die Überlegung, die Unterrichtszeit zu verlängern: von 45 auf 60 Minuten.

Dr. Rainer Wackermann ist Mitglied der Arbeitsgruppe Physik und ihre Didaktik an der Bergischen Universität und Physikdidaktiker an der Ruhr-Universität Bochum. Er hat untersucht, welche Auswirkungen eine längere Unterrichtszeit hat — besonders im Physikunterricht. Dazu hat er Unterricht und Schüler am Wuppertaler Wilhelm Dörpfeld-Gymnasium (WDG) beobachtet. Dort wurde die Unterrichtsdauer schon vor knapp fünf Jahren verlängert.

„Dr. Wackermann hat schon 2006 eine Videostudie bei uns durchgeführt“, sagt Norbert Peikert, Leiter des WDG. Damals habe er den Unterricht begleitet, um daraus neue Erkenntnisse für die Fortbildung von Lehrern zu gewinnen. Auch da ging es um die 15 Minuten mehr — acht Gymnasien und drei Gesamtschulen waren Teil der Untersuchung, darunter auch das WDG. Die These: 45-minütige Schulstunden böten oft nicht die Gelegenheit, den Lernprozess sinnvoll zu beenden. Auch eine Reflexion des Stoffes sei nicht möglich.

Norbert Peikert, Schulleiter und Physiklehrer am WDG

Nun sei das Forscherteam um Wackermann erneut an die Schule gekommen, um zu überprüfen, was sich seit der Umstellung getan hat. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Schüler auch in 60 Minuten noch aktiv und konzentriert arbeiten. „Auch wir haben gemerkt, dass die Schüler davon nicht überfordert sind“, sagt Schulleiter Peikert. Die längere Unterrichtsdauer bringe gerade im Physikunterricht einen entscheidenden Vorteil mit sich: „Die 60 Minuten ermöglichen den Freiraum, verschiedene Methoden in den Unterricht einzubauen“, sagt Peikert, der selbst Physiklehrer ist. Besonders in naturwissenschaftlichen Fächern sei das wichtig. Es bleibe mehr Zeit, Experimente, Versuche, Partner- oder Gruppenarbeit mit den Schülern zu machen. „Längere Schulstunden können die Qualität des Unterrichts verbessern“, schließt auch Wackermann aus seiner Studie, „Es ist eine Veränderung, die wir nutzen sollten, auch wenn es keine Pauschallösung ist.“