Wuppertal Meine erste Fahrt mit der Schwebebahn
WZ-Volontärin Nele Dohmen kommt nicht aus Wuppertal — und ist nun zum ersten Mal mit dem Wahrzeichen der Stadt gefahren.
Wuppertal. Was haben die Kollegen in der Redaktion sich bemüht, mich zu einer Fahrt mit der Schwebebahn zu bewegen. Seit nunmehr fünf Monaten versuchen sie das. Und ich wäre dieser Empfehlung auch schon eher nachgekommen, nur bot sich nie die Gelegenheit dazu. Jetzt war sie da, die Gelegenheit.
Mit dem schlichten Auftrag, die Linie des Wahrzeichens von 1901 einmal von Vohwinkel bis Oberbarmen und wieder zurück zu fahren, komme ich am Schwebebahnhof Vohwinkel an. Und es sieht eindrucksvoll aus, wie die grüne Stahlkonstruktion die Kaiserstraße säumt. Alles ist noch etwas größer, als ich es erwartet hätte. Mich überraschen die Holztreppen und der hölzerne Bahnsteig, den Baustoff hätte ich hier nicht erwartet. Dann kommt die Bahn. Eine von den neuen, hellblauen ist es. Nichts wackelt beim Einsteigen so, wie ich es befürchtet hatte. Die Türen schließen, es geht los.
Was für ein Ausblick. Das alles ist ein ganzes Stück höher als gedacht, und dann verläuft das erste Stück auch noch ein wenig abschüssig. Die erste Kurve: Die Bahn neigt sich leicht zur Seite, dramatische Szenen spielen sich aber nicht ab. Ich muss aufstehen, um mehr zu sehen. Und siehe da: Ich falle auch nicht um. Wir fahren in die Haltestelle Zoo ein, hier schaukelt die Bahn im Stillstand ein bisschen. Und ab dann geht es über das Wasser weiter, den Verlauf der Wupper entlang.
Ich kann mir förmlich dabei zusehen, wie sich mein Bild von der Stadt, die ich bislang nur mit dem Auto erkundet habe, mit jedem gefahrenen Meter wandelt. Wuppertal hat mit der Schwebebahn etwas absolut Weltstädtisches. Die genietete Konstruktion mit dem Jahrhundertwenden-Charme erinnert an den Aufbruch in die Moderne, die Belle Époque und den Jugendstil, wo selbst schmiedeeiserne Durchgangstörchen — über ein solches schwebe ich gerade — mit Schnörkeln versehen wurden. Die Verschnörkelung von Funktionalität ist spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg verlorengegangen. Aber rechts und links der Schwebebahn erinnern Zäune und Tore an diese Wertschätzung des Gebrauchsgegenstandes. Dahinter: der unfassbar schnöde, triste Zaun zur Abgrenzung eines Firmengeländes zum Wupperufer. Was für ein Kontrast.
An der Haltestelle Zoo steigt eine betagte Dame ein. Sie stellt sich direkt vor ein Fenster und schaut hinaus. Ich frage sie, seit wann sie schon Schwebebahn fährt. Mit leuchtenden Augen antwortet sie: „Seit ich ein Jahr alt war.“ Letzten Monat ist sie 87 Jahre alt geworden. Etwa zwei Mal pro Woche bringe die Schwebebahn sie in die Stadt. Jetzt ist sie auf dem Weg zu einem Treffen mit Freunden. Nicht weit von ihr entfernt steht ein junger Mann mit einem Wäschekorb, dessen Inhalt so akkurat gefaltet ist, dass man meinen könnte, er war gerade bei Mutti. Überhaupt scheint es, als fahre ein Querschnitt der gesamten Stadt mit dieser Bahn.
Wir rauschen mit 57 Kilometern pro Stunde — das verrät der Blick auf das Display des Fahrers — an der Ohligsmühle und dem Döppersberg vorbei, und von hier oben wird das Ausmaß der Umbauarbeiten erst richtig deutlich. Überhaupt sehe ich so viel von der Stadt. Das Schweben hat etwas Erhabenes. Keine Ampel, kein Stau kann uns etwas anhaben. Diese Draufsicht auf alles ist faszinierend. Und ich verstehe nun auch, warum man Wuppertal auch „das Tal“ nennt.
In Oberbarmen steige ich für die Rückfahrt in eine der älteren Bahnen. Erster Eindruck: Die schaukelt und rattert viel mehr. Da wird mir doch tatsächlich etwas flau im Magen. Wir halten am Landgericht, die Bahn schaukelt kräftig, eine junge Frau steigt mit zwei Freundinnen ein und stellt fest: „Oh, in diesen Bahnen wird mir immer schlecht.“ Willkommen im Club. Bis zum Hauptbahnhof hält sie es aber aus.
Zurück in Vohwinkel finde ich mich kurze Zeit später im Auto wieder, stehe an einer roten Ampel und warte, dass es endlich weitergeht. Ich vermisse schon die Unabhängigkeit des Schwebebahnfahrens.