Mensch und Natur werden in Hodlers „Verklärung“ eins

Das um 1906 entstandene Werk des Schweizer Malers Ferdinand Hodler ist in der Ausstellung „Aufbruch in die Moderne“ zu sehen.

Ferdinand Hodlers zweite Ehefrau stand für das Bild „Verklärung“ Modell.

Foto: Von der Heydt-Museum

In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, musste der Schweizer Maler Ferdinand Hodler (1853-1918) erleben, wie sein Vater und neun seiner Geschwister früh starben. Beim Tod der Mutter war Hodler erst 14 Jahre alt. Doch er kämpfte sich durch und zählt heute zu den bedeutendsten Künstlern an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die ständige Konfrontation mit Krankheit und Tod während seiner Kindheit prägten ihn und ließen ihn zu einem Gratwanderer werden zwischen expressiv-realistischer Sichtweise und einer symbolistisch-geistig-mystischen Empfindsamkeit. Ein herausragendes Beispiel dafür ist sein um 1906 fertiggestelltes Werk „Verklärung“, das aktuell Teil unserer Ausstellung „Aufbruch in die Moderne“ ist.

Wuppertaler

Meisterwerke

Wie auch in anderen Bildern diente Hodlers zweite Ehefrau Berthe Jacquy als Modell. Sie steht als bildfüllende Figur im Zentrum des Gemäldes und scheint den Betrachter von einer erhöhten Position direkt anzublicken. Die Gestik ihrer Arme und Hände, ihr tänzerisch vorgesetzter linker Fuß und ihre angespannten Gesichtszüge sind Ausdruck intensiver Empfindung und Ergriffenheit. Verstärkt wird die Körpersprache durch die Farbwahl. Auffallend ist das schlichte lange Gewand der Frau in leuchtendem Blau als Ausdruck des Geistigen.

Sie steht barfuß auf dem nackten, rötlich gefärbten Erdboden, der zu ihren beiden Seiten inselartige Rasenflecken mit blühenden Gänseblumen kontrastiert. Das Kompositionsschema mit extrem hochgezogenem Horizont und einer monumentalen Menschengestaltung verdeutlicht Hodlers mehrfach formulierten Gedanken des Einswerdens von Mensch und Natur, von Gestalt und Umgebung.

In diesem eigenwilligen Symbolismus, der nicht auf philosophischen oder literarischen Quellen basiert, wird die Figur der Frau von Hodler zur spirituellen Protagonistin im Streben nach Harmonie. Wie das Kind und später der Jugendliche die Unschuld und Lebenskraft in den zyklisch angelegten Figurenbildern Hodlers symbolisieren, rühmt auch das Wuppertaler Werk die Lebenskraft. Dabei stellt Hodler die Figur ganz naturgetreu dar, betont aber durch die ausgeprägte Frontalstellung und die geringe Tiefenwirkung die spirituelle Ebene des Dargestellten.

Hodlers Bilder waren vom menschlichen Schicksal inspiriert. Vor allem seine ersten Porträts von Arbeitern und Bedürftigen weisen einen starken Bezug zum alltäglichen Leben oder einem bestimmten sozialen Umfeld auf. Hodlers spiritueller Realismus der Jahre nach 1900, zu dem auch dieses Werk zählt, betont hingegen mit seinen, aus dem modernen Tanz entlehnten Gebärden und einer stärkeren Farbigkeit den Ausdruck von Empfindungen. Paul Klee, der die Kunst seines Schweizer Landsmannes sehr schätzte, sagte, Holder sei „vor allem ein Menschendarsteller, der durch den Körper die Seele zu gestalten weiß“.