Neue Ausstellung Frühere Wuppertal-Ansichten neu interpretiert
Im „Kontor 91“ am Werth zeigt die Ausstellung „Mit der Schwebebahn durch die Wuppertaler Geschichte“ neue Fotos nach historischen Mustern.
„Ich war einen Moment irritiert: Welches ist das alte und welches das neue?“ Von den zwei fast gleichen Ansichten der Vohwinkeler Kaiserstraße hat Sonja Grabowsky die eine zwar selbst geschossen, doch Verwechslung wäre im Grunde das beste Lob: Im „Kontor 91“ am Werth zeigt die Ausstellung „Mit der Schwebebahn durch die Wuppertaler Geschichte“ neue Fotos nach historischen Mustern, und möglichst ähnlich zu sein war gerade die Herausforderung.
Hunderte alter Postkarten sind im Besitz des Museums Industriekultur, dessen Teile Engelshaus und Museum für Industrialisierung bis vor Kurzem „Historisches Zentrum“ hießen. Leiter Lars Bluma stellte sie zur Verfügung, als ein Duo von der Volkshochschule die Idee hatte, frühe Tal-Ansichten in einem Fotokurs neu aufzunehmen: Jan Niko Kirschbaum ist Fachbereichsleiter für Politik, Geschichte und Umwelt und brachte so den Blick fürs Historische mit. Susanne Spitzl betreut den Fachbereich Kultur und sowie den Sektor Fotografie. Taro Kataoka, Fotodesigner und ihr von anderen Kursleitungen bekannt, war schnell für das Projekt zu begeistern.
Auch wenn der Titel es vermuten ließe: Die Schwebebahn ist nicht Thema der Ausstellung – sie diente mehr zur Orientierung. Oft war es nicht leicht, die alten Fotos genau zu verorten, erklärt Kataoka die Schwierigkeit: „Umso mehr, weil ich von auswärts komme und die Stadt nicht so gut kenne.“ Abhilfe brachte das Schwebebahngerüst – genauer: die nummerierten Pfeiler. So ließen damals geknipste Orte sich genau ermitteln. Und: Die Schienen längs der Talachse dienten bei den Aufnahmen nun der Linienführung.
Ein bis zwei Stunden, beziffert der Leiter, habe jedes Bild vor Ort gedauert. Neben Grabowksy sind Renata Adams und Raoul Zoppi die Urheber der „neuen alten“ Bilder, die sie täuschend echt nachgestellt haben. Das hieß viel Warten auf den besten Moment (vom Licht oder vom Auftauchen der Schwebebahn im rechten Augenblick). Ein paar Mal tauchen die Fotografen oder ihr Leiter sogar selbst im Bild auf – dort, wo auch im Original Personen zu sehen waren.
Motiv Adlerbrücke sorgt
für einen Überraschungseffekt
Was in den auffällt, ist zwar bei jeder Bilderdoppelung die Übereinstimmung. Unverkennbar etwa, dass ein Bild von Zoppi eine Straßenecke in Sonnborn zeigt – genau an der Stelle, wo einst das schwarz-weiße Vorbild entstand, das nun über ihm hängt. Doch natürlich lockt stets der Vergleich, und schnell wird klar: Viel hat sich verändert. Dass es vom Sonnborner Motiv das Ladenschild „Flaschenbiere“ nicht mehr gibt, ist erwartbar. Doch schon ein Blick zeigt: Heute fehlt fast die ganze Häuserzeile. Und wer vermutet hätte, im Laufe des 20. Jahrhunderts sei doch wohl alles zugebaut und vollbetoniert worden, reibt sich beim Motiv Adlerbrücke fast die Augen: Wo heute Bäume das Bild bestimmen, standen einst mächtige Gebäude. Für die Fotografen machten wuchernde Pflanzen übrigens das Platzieren des Stativs recht verzwickt. Es wird geflachst: „Eine Kettensäge hatten wir nicht zur Hand.“ Ein Scherz natürlich, denn beim Rundgang zur Eröffnung herrscht Einigkeit: Viel ist seitdem grüner geworden, und das, finden alle, ist gut so.
Der Charme vergangener Tage mag auch Vertrautes in anderes Licht tauchen. Beim alten Bild von der Ohligsmühle fallen Damen mit Kleidern und Hüten auf; gegenüber vom noch heute imposanten Bismarcksteg stand offensichtlich ein Hotel. Ob mancher Übernachtungsgast dort morgens zum „Ohligsmühler Markt“ herüber ging? Diesen jedenfalls zeigt ein Foto aus der gleichfalls besuchbaren Dauerausstellung im „Kontor 91“; links oben erspäht man im Hintergrund die Stadthalle. Vielleicht wird auch von dort eine Ansicht künftig Motiv für eine Neuversion? Auf die Suche nach weiteren Vorlagen wird das VHS-Team weiter gehen: Eine Fortsetzung ist geplant