Finanzen Neue Schätzung: Corona kostet Wuppertal mindestens 200 Millionen Euro
Wuppertal · Sollten Bund und Länder nicht eingreifen, kündigt der Wuppertaler Kämmerer für 2021 eine Erhöhung der Grundsteuer an. 1600 Unternehmen setzten die Gewerbesteuer aus oder ließen sie herabsetzen.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben für Wuppertals Haushalt enorme Auswirkungen – und die Tragweite wird jeden Tag deutlicher. Inzwischen kann Kämmerer Johannes Slawig den Schaden für die Stadtkasse deutlicher überblicken. Im Gespräch mit der WZ korrigierte er seine erste Einschätzung zu den finanziellen Auswirkungen der Krise noch einmal deutlich nach oben. „Ich gehe davon aus, dass uns durch Kosten und Mindereinnahmen über die nächsten Jahre ein Schaden von 200 Millionen Euro entstehen wird“, sagt Slawig.
Den größten Minusposten sieht der Stadtdirektor in der Gewerbesteuer. „Wir haben mehr als 1600 Anträge auf Stundung oder Herabsetzung der Gewerbesteuer erhalten“, sagt Slawig. In Zahlen bedeutet das voraussichtliche Mindereinnahmen in Höhe von 90 Millionen Euro. Der zweite größere Posten werden im kommenden Jahr die Schlüsselzuweisungen des Landes sein. Sie sind nämlich an die Steuereinnahmen des Landes geknüpft und werden nach Slawigs Einschätzung 2021 um rund ein Drittel niedriger ausfallen. Normalerweise rechnet die Stadt mit 220 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen. „Für die erwarteten Mindereinnahmen gibt es nach jetzigem Stand keine Ausgleichszahlungen.“ Zumindest die Kompensation der coronabedingten Gewerbesteuerausfälle übernehmen Bund und Land zu gleichen Teilen.
Neue Schulden werden die
Stadt 50 Jahre lang belasten
Um die erhöhten Lasten überhaupt schultern zu können, dürfen die Städte einen gesonderten „Corona-Haushalt“ führen. Doch Kämmerer Slawig verdeutlicht, dass das nichts daran ändert, dass diese Kosten zu einer höheren Verschuldung führen. Rund 100 Millionen Euro an Kassenkrediten werde die Stadt - Stand jetzt - wegen Corona neu aufnehmen müssen. „Das ist schon bitter, wenn man bedenkt, dass wir in den vergangenen fünf Jahren 250 Millionen Euro an Altschulden getilgt haben“, sagt Slawig. Allein diese neuen Schulden in Höhe von 100 Millionen Euro werden jeden städtischen Haushalt der nächsten 50 Jahre bei jeweils einem Prozent Tilgung und Zinsen mit zusätzlich zwei Millionen Euro belasten - vorausgesetzt die Zinsen steigen nicht.
Insgesamt steht die Stadt Wuppertal bei den Banken noch immer mit 1,25 Milliarden Euro in der Kreide. Kein Wunder, dass Johannes Slawig auch weiterhin zusammen mit dem Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ bei dem Land auf eine Lösung des Altschuldenproblems pocht. „Das weitere Anhäufen von Schulden hat mit nachhaltiger Finanzpolitik nichts zu tun“, so Slawig.
Doch die Auswirkungen von Corona könnten noch viel unmittelbarer ausfallen als ein Anstieg der Kassenkredite. Johannes Slawig sagt auch angesichts weiterer derzeit ungedeckter Mehrkosten wie zum Beispiel die zusätzlichen Aufwendungen beim Personal im Gesundheitsamt: „Eine zusätzliche Belastung können wir nur über Steuereinnahmen ausgleichen.“ Eine weitere Konsolidierung des Haushaltes sei nach 25 Jahren des Sparkurses nicht mehr möglich: „Der Haushalt ist ausgequetscht.“ Weil er ein Anheben der Gewerbesteuer in Wuppertal „nicht sehe“, sei die einzige Möglichkeit, weitere Einnahmen zu generieren, ein Anheben der Grundsteuer. Slawig stellt klar: „Ich will das nicht. Das ist ein Hinweis an Berlin und Düsseldorf.“
In die 200 Millionen Euro sind die Verluste bei den Stadtkonzernen noch gar nicht eingerechnet. Dabei stehen auch dort schon – teils massive Einbußen – fest. Besonders hart hat es dabei die Veranstaltungsbetriebe wie die Bühnen und die Historische Stadthalle Wuppertal GmbH getroffen. Silke Asbeck, Geschäftsführerin der Stadthalle, berichtet von Umsatzeinbußen von 800 000 Euro bis zur Sommerpause. „Noch gleichen wir aus unseren liquiden Mitteln aus“, sagt Asbeck. In Zukunft sehe sie den Ausgleich bei der Stadt, die diese Kosten wiederum an Land und Bund weitergeben solle. „Wir glauben schon, dass die Ausfälle in Zukunft auf den großen Bon der Corona-Krise gehen müssen.“
Obwohl zwei Kammerkonzerte des Sinfonieorchesters bereits wieder stattfinden konnten, zeigte sich, so Silke Asbeck, dass „die Nachfrage noch sehr verhalten ist“. Obwohl die Corona-Vorgaben insgesamt 180 Menschen bei den beiden Konzerten erlaubt hätten, kamen nur 120. „Ich war schon überrascht“, sagt Silke Asbeck. Diese erste Erfahrung zeigt, wie nachhaltig das Geschäft mit den Veranstaltungen geschädigt sein könnte. Um zukünftige Events für die Veranstalter überhaupt einigermaßen lukrativ zu halten, vermietet die Stadthalle aktuell zu Sonderpreisen.