Noch ein paar Thesen dazugedichtet
Kolumnist Uwe Becker hat seinen ganz eigenen Zugang zur Reformation.
Heute feiern wir 500 Jahre Reformation. Anlässlich dieses Jubiläums hat man den Reformationstag in diesem Jahr einmalig zum nationalen Feiertag erklärt. Ich habe mich als Kind nie für das Leben und Wirken Martin Luthers interessiert. Meine Konfirmation erlebte ich zwar in der Luther-Kirche zu Barmen, aber das war´s dann auch. Kirche, Schule und Zahnarzt-Termine hatten für mich immer einen bedrohlichen Charakter.
Meiner Konfirmation hatte ich damals auch nur zugestimmt, weil ich größere Geldgeschenke meiner Verwandtschaft erwarten durfte. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, meine Kolumne aufmerksam verfolgen, wissen Sie, dass meine Erwartung bezüglich des warmen Geldregens bitter enttäuscht wurde, bekam ich doch nur Ferngläser und schlaue Bücher geschenkt, darunter die moderne Bibel von Jörg Zink.
Begrabt mein
Herz in Wuppertal
Ich hatte in meiner Jugend auch sehr wenig Zeit, mich mit dem großen Reformator Luther wirklich zu beschäftigen. Die Schulzeit war intensiv, man musste morgens um 8 Uhr da sein und durfte erst am Mittag wieder nach Hause. Zweimal die Woche musste ich zum Fußballtraining, und am Wochenende fanden Meisterschaftsspiele statt. Nicht zu vergessen meine quälend langen und schmerzvollen Sitzungen bei meinem alkoholkranken Zahnarzt.
Später kamen lange Abende mit Freunden dazu, an denen wir bei Kerzenlicht auf Matratzen lagen, Whiskey-Cola tranken, Beat-Musik hörten und Mädchen an ihren Blusen herumfummelten.
Ich kann mich nicht erinnern, dass man an solchen Abenden Martin Luther auf der Agenda hatte. Meine damaligen Vorbilder und Helden waren Uwe Seeler, Jimi Hendrix, Che Guevara, Rolling Stones und Mary Quant, die Erfinderin des Mini-Rocks.
50 Jahre später musste ich mich aus beruflichen Gründen näher mit Herrn Luther beschäftigen, da ein Postkarten-Verlag anfragte, ob ich etwas Lustiges zum Thema Reformation beisteuern könne. Bei meiner Recherche stieß ich zunächst auf seine kritischen Äußerungen zum Judentum, die später in der Zeit des Nationalsozialismus einem Großteil der Evangelischen Kirche als Legitimation und Duldung für die staatliche Judenverfolgung diente.
Nachdem ich dann Luthers 95 wenig spannende Thesen durchgelesen hatte, kam ich auf die Idee, einfach noch ein paar dazu zu dichten, die der Verlag dann als Postkarte zum Jubiläums-Jahr veröffentlichen sollte: „Hast Du das Tischgebet vergessen, musst Du alles noch einmal essen“, „Ablassbriefe immer ausreichend frankieren und nie den Absender vergessen“, „Ich schrieb an ungezählten Tresen fast alle meine Thesen“ und „Außer Thesen nix gewesen“.
Wenn wir morgen nach den Festlichkeiten erwachen, steht mit Allerheiligen schon der nächste Feiertag auf der Matte. Dann erinnert die Katholische Kirche an ihre unzähligen Heiligen. Früher hatte jeder von ihnen seinen eigenen Feiertag, aber irgendwann wurden es zu viele und so beschloss man, an einem einzigen Tag alle zu ehren.
Würde die alte Regelung noch gelten, hätten wir ungefähr 35 freie Tage mehr. Pech für Freunde der Brückentage, sie könnten mit nur zwei Urlaubstagen das ganze Jahr zu Hause bleiben.