Wuppertal Notfallpraxen: Wuppertal ist unterversorgt - Ärztlicher Notdienst in der Kritik

Helios-Chefarzt ärgert sich über Öffnungszeiten der zentralen Notdienst-Praxis. Diese führten zu überlaufenen Notaufnahmen in den Kliniken.

Foto: S. Fries

Wuppertal. Ist Wuppertal bei gesundheitlichen Notfällen schlecht versorgt? Chefarzt Dr. Jan Hammer, der das Notfall-Zentrum des Helios-Klinikums leitet, kritisiert die spärlichen Öffnungszeiten der Notdienst-Praxis am Petrus-Krankenhaus. Diese Einrichtung der niedergelassenen Ärzte, die mobilen Menschen außerhalb der Praxiszeiten helfen soll, öffnet an der Carnaper Straße 48 lediglich mittwochs und freitags von 16 bis 20 Uhr sowie an Feiertagen von 9 bis 19 Uhr. Zum Vergleich: In Düsseldorf hat die Notdienst-Praxis fürs Stadtgebiet an Feiertagen rund um die Uhr geöffnet, deckt alle Abende und Nächte in der Woche ab und zusätzlich den Mittwochnachmittag.

Dr. Hammer ist das Thema wichtig, denn sein Notfallzentrum muss einen massiven Anstieg der Patientenzahlen schultern. 2007 kamen jährlich noch 36 000 Menschen an die Aufnahme-Theke, 2017 waren es 49 000. 65 Prozent von ihnen gehen nach der Untersuchung wieder nach Hause — wären also aus Hammers Sicht eigentlich in vielen Fällen bei der Notdienst-Praxis besser aufgehoben. Auch im Agaplesion Bethesda Krankenhaus ist ein kontinuierlicher Anstieg der Patientenkontakte zu verzeichnen: Rund 40 000 suchen jährlich die Ambulanz auf. „Es stellt sich die Frage, wer eigentlich zuständig ist“, sagt Hammer.

Doch die Notdienst-Praxis verweigere nicht selten den Dienst. Zum Beispiel zwischen Weihnachten und Neujahr. „In dieser Zeit habe ich acht von neun Patienten, die mir erzählen, dass ihr Hausarzt in Urlaub ist“, sagt der Chefarzt. Er habe sich „den Spaß gemacht“ und bei der Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein, die in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln die ärztliche Versorgung sicherstellt, nachgefragt, welche Ärzte in Wuppertal in der Woche zwischen den Feiertagen geöffnet haben. „Die wussten das gar nicht“, sagt Hammer. Weil nur drei Werktage zwischen den Feiertagen lagen, habe sich keiner der Ärzte abmelden müssen. Und die Vertretungsregelungen? „Da vertreten sich doch teilweise zwei Ärzte gegenseitig, die beide im Ski-Urlaub sind“, sagt Hammer.

Dass das immer mal wieder vorkommen kann, weiß auch Dr. Joachim Wittenstein, Vorsitzender der örtlichen KV-Kreisstelle. „Ja, leider halten sich nicht immer alle an die Vertretungsregelung“, sagt er. Betont aber auch: „Hausärzte sind immer genügend da.“ Im Großen und Ganzen funktioniere das System. Und so habe auch zwischen den Feiertagen die Notdienst-Praxis wie an normalen Werktagen geöffnet — zwei Mal für vier Stunden.

Die Öffnungszeiten haben sich aus Wittensteins Sicht bewährt. „Wir hatten auch schon mal bis 22 Uhr geöffnet, aber in den späten Stunden war einfach nichts mehr los“, sagt er. Auch er sieht es so, dass viele Patienten, die heute in die Notaufnahme gehen, eigentlich dort falsch sind. An die Carnaper Straße kommen rund 10 000 Patienten pro Jahr. Es sei, so Wittenstein, auch möglich, noch mehr zu schultern.

Die verhältnismäßig kurzen Öffnungszeiten in Wuppertal seien „historisch gewachsen“. Im Tal sichere dafür 24 Stunden am Tag der Fahrdienst (erreichbar unter der Rufnummer 116 117) die ärztliche Versorgung ab. Doch auch dieses Angebot der KV werde nicht mehr stark genutzt. „Wir haben früher bis zu 150 Fahrten an einem Tag am Wochenende. Jetzt liegen wir im Schnitt bei 80“, sagt Wittenstein. Das liege auch daran, dass die Medizin besser geworden sei, etwa beim Asthma. „Früher waren Atemnoteinsätze Alltag.“

Das Problem der Notfallambulanzen wird durch das Verhalten der Patienten verstärkt. Auch bei Bagatellen wird heutzutage das Krankenhaus aufgesucht. „Das Spektrum reicht von der Impfung über den einfachen Schnupfen bis hin zum abgebrochenen Fingernagel, der lediglich rund gefeilt werden musste“, berichtet Andreas Fischer, Pflegedienstleitung im Bethesda und langjähriger Leiter der Notfallambulanz.

Chefarzt Jan Hammer weist zudem darauf hin, dass es in der Notdienst-Praxis kaum Behandlungs-Möglichkeiten gibt. Wittenstein bestätigt: „Wir sind sparsam aufgestellt.“ Es werde viel „geschaut und gefühlt“. Blutabnahmen und Röntgen-Bilder etwa seien nicht möglich. Hammer resümiert: „Jeder, der einmal da war, geht beim zweiten Mal direkt ins Krankenhaus.“