OB-Schreibtisch findet neue Heimat beim Kulturdezernenten
Wuppertals neuer Oberbürgermeister Andreas Mucke hat den ersten Ärger im Amt — und das mit seiner eigenen Partei. Ein ehemaliger Ratsherr kämpft um das Möbelstück, an dem einst Johannes Rau saß.
Wuppertal. Der Konflikt hat das Zeug zur Posse. Aber dafür ist die Sache dann doch wieder zu ernst. Es geht um Tradition, Geschichte und das Andenken an große Persönlichkeiten in der Wuppertaler Politik. Andreas Mucke (48) hat den einen oder anderen Parteigenossen vor den Kopf gestoßen. Dabei wollte der neue Oberbürgermeister eigentlich nur einen modernen Arbeitsplatz. Also musste unter anderem der Schreibtisch verschwinden. Nicht zweckmäßig, kein Möbel, auf dem sich ein Computer so unterbringen ließe, dass der Nutzer des Tisches daran auch nur halbwegs vernünftig arbeiten könnte, befand Mucke. „Da sind noch die Brandflecken von den Zigaretten Hans Kremendahls drauf“, sagte der Oberbürgermeister.
Eben genau diese Spuren sind es, die das Möbelstück für manche Sozialdemokraten fast schon adelt. Einer von ihnen ist Eberhard Robke. Der ehemalige Chef der SPD-Fraktion im Stadtrat, der Kulturpolitiker, Mäzen und erfolgreiche Geschäftsmann ist ein Weggefährte von Johannes Rau gewesen. Er trat am selben Tag in die SPD ein wie der späterere Minister- und Bundespräsident Johannes Rau. Umso härter traf es Robke, dass Mucke den alten Schreibtisch ausrangierte. Denn daran hatte auch Rau im Jahr seiner Oberbürgermeisterschaft von Wuppertal gearbeitet — und geraucht.
„Das zeigt, dass Ihnen Tradition wenig bedeutet“, schrieb Robke (79) an den Oberbürgermeister und zählte die großen Sozialdemokraten auf, die neben Kremendahl und Rau an dem Schreibtisch gearbeitet hatten. Auch Hermann Herberts, Gottfried Gurland und Ursula Kraus sind Vorgänger und Genossen Muckes.
Eberhard Robke, ehemaliger SPD-Fraktionsvorsitzender, in einem Brief an Andreas Mucke
Während in der SPD einige die Nase rümpfen, strahlt in der CDU einer über das ganze Gesicht. Ihm wurde am Dienstag das gute, alte Stücke in sein Büro am Neumarkt in Elberfeld gestellt. Putzen, polieren, Spinnweben entfernen — der Kulturdezernent tat alles, was der glückliche neue Besitzer eines Möbelstücks mit Geschichte so macht. Der Schreibtisch, an dem einst Johannes Rau die Geschicke Wuppertals lenkte, schmückt auch einen Christdemokraten.
Die Frage, ob seine Arbeit an der polierten Platte künftig eine andere werde, beantwortet Nocke (53) mit einem verschmitzten Lächeln. „Ganz bestimmt nicht. Ich habe den Schreibtisch gewechselt, aber nicht den Arbeitsplatz, auch wenn es schön ist, ein Stück lebendige Stadtgeschichte im Büro zu haben. An diesem Schreibtisch hat einst Oberbürgermeister Dr. Heinz Frowein (CDU) die Baupläne für das Schauspielhaus durchgearbeitet, und es wäre schön, wenn ich die Möglichkeit hätte, an diesem Schreibtisch an der Realisierung des Pina Bausch Zentrums in diesem großartigen Haus an der Kluse zu arbeiten.“
Dabei wird sich Nocke allerdings beeilen müssen. Denn sein neuer Chef will von Ausrangieren im Zusammenhang mit dem Schreibtisch nichts wissen. Er findet ihn für sich zwar unpraktisch, für die Stadt aber wichtig. „Wenn wir einen Platz gefunden haben, an dem wir ihn zu Ehren all meiner Vorgänger angemessen präsentieren können, muss Herr Nocke den Tisch abgeben.“