Performance-Installation in Wuppertal Schlafende Menschen tanzen an der Saaldecke des Barmer Bahnhofs

Wuppertal · Das Liegen und Schlafen ist in der Tanz Station im Barmer Bahnhof Thema.

Im (Schlaf-)Saal der Tanz Station wird die Performance im Liegen erlebt.

Im (Schlaf-)Saal der Tanz Station wird die Performance im Liegen erlebt.

Foto: Carola Hölting

Man kann über den Schlaf nachdenken, ihn erforschen, viele suchen ihn, mehr oder weniger erfolgreich, alle brauchen ihn. Barbara Cleff interessiert sich für Themen des Alltags, die alle betreffen und zugleich sehr individuell erfahren werden, sagt sie. Die Wuppertaler Choreografin ist so zum Schlaf als Thema gekommen, hat zusammen mit dem Komponisten Nicolás Kretz viel herausgefunden und gelernt. Präsentiert nun den Aspekt der Bewegung im Schlaf, den sie mit der Wahrnehmung im Liegen verbindet. Ihre Performance-Installation „Himmelskörper“ in der Tanz Station im Barmer Bahnhof verhilft den Besucherinnen und Besuchern zu Wissenswertem, vor allem aber zu entspannten Wahrnehmungen und Erlebnissen.

Die Performance beginnt direkt beim Treppenaufgang hinter der schweren Eingangstür, die die Tanz Station vom normalen Betrieb im Bahnhof trennt. Jeder Einzelne wird einfühlsam von einer Frau in einem weißen Schutzanzug (Silvia Munzón López vom Schauspiel Wuppertal) begrüßt. Sie führt in den Schlafsaal im ersten Stock im Barmer Bahnhof, da wo sonst die Tanz Station arbeitet – vorbei an aufgetürmten Weckern in Glasbehältern, gelben Post-its an einer Wand aus Glasbausteinen, auf denen die Begriffe Liegen und Schlaf vielfältig variiert werden, einem Badezimmer und einer Toilette. Vorbei an sechs (Nacht-)Tischchen, auf denen Einschlafhilfen wie Schlafbrille, Schlaftagebuch oder Bissschienenbox an eigene Schlafschwierigkeiten erinnern (können). Um die geht es auch in den Texten, die die Frau auf ihrem Weg nach oben, hier und da stehen oder liegen bleibend, vorliest. Beginnend mit der nächtlichen Angst, die den Schlaf vereitelt, über den beobachteten unruhigen Schlaf des Bettpartners bis hin zum ausgiebig geschilderten Albtraum.

Auf diese „vertikale Spurensuche über den Schlaf und das Liegen als Alltagserfahrung und gleichsam kultur- und kunsthistorisches Phänomen“ folgt Entspannung pur. In einem „horizontalen Erfahrungsraum erwartet die maximal zwölf Zuschauerinnen und Zuschauer eine „raumfüllende audiovisuelle Installation“, beschreiben die Macher. Die hoffen, dass diese „ein Wahrnehmen mitnehmen, das das Außen nicht mehr vom Innen trennt“ (Cleff), dass sie einen „Moment kurz vor dem Einschlafen“ erleben (Kretz).

Im Liegen sind die
Sinne geschärft

Dafür liegen sie im abgedunkelten, ein wenig kühlen Saal auf bequemen Luftmatratzen, werden von ihrer Führerin wie im Yoga verbal auf’s den Körper loslassende Spüren eingestimmt. Die Sinne seien im Liegen geschärfter und bewusster als im Stehen oder Sitzen, weil der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen sei, erklärt Barbara Cleff. Derweil ein Klangteppich aus undefinierbaren Tönen, Stimmen, Geräuschen, ein Klacken, Tropfen, Wummern, Quaken und Zwitschern an- und abschwillt. Abrupt in Stille übergeht und von Neuem ansetzt. Ab und an erreichen weitere Texte zum Thema aus einem Lautsprecher das Ohr. An die Saaldecke über den zwölf Liegenden wird eine Choreografie aus ebenfalls zwölf Schlafenden projiziert. Denn diese Schläferinnen und Schläfer führen alle nur erdenklichen Schlafpositionen vor, die den Menschen auf den Matratzen aus eigenen Nächten vertraut sind. Und die doch irgendwie fremd wirken, wenn man ihnen zuschaut. Und darüber hinaus verfremdet werden in Größe, Farbe, Vervielfältigung, Tempo.

Gesteuert werden sie von einem Computerprogramm, das sich unzähliger Fotos (Dominik Sutor) bedient. Cleff und Kretz haben sie zu einer Choreografie mit bestimmten Positionen und Abfolgen gefügt, haben dabei auf eine gewisse Synchronizität geachtet. Die Performance stimmt sich auch auf Klang und Rhythmus ab. „Die Menschen an der Decke tanzen“, sagt Kretz. Zwar ist jede Aufführung ein wenig anders. Dennoch geschehe alles nach ihrem Willen, betonen Cleff und Kretz. Wie beim Tanz auf der Bühne, der den Tänzerinnen und Tänzern zwar Freiheit lasse, aber alles andere als beliebig sei, sondern einer Choreografie folge. Während die Zuschauerinnen und Zuschauer auf ihren „Betten“ vor sich hindämmern, einschlafen, träumen, genießen – individuell und alle zusammen.

Weitere Schlaf-Performances sind nicht ausgeschlossen. Das Team hat schließlich reichlich Schlaferkenntnis zusammengetragen, in Schlaflabor und in Interviews, aus Büchern und Bildern, aus dem Vergleich der Kulturen.

Von der unterwürfigen Pose des Liegenden in Menschenwelt oder Tierreich, über die Bedeutung von Powernapping bis hin zum Umgang mit Schlaf im öffentlichen Raum, der hier verachtet wird und dort selbstverständlich ist.