Peter Brötzmann: Geburtstag eines Jazz-Grenzgängers

Die bergische Freejazz-Legende wird am Sonntag 70 Jahre alt. Mit Peter Kowald und Dietrich Rauschtenberger begründete er die große Wuppertaler Jazz-Tradition.

Wuppertal. Wird in einschlägigen Kreisen von „Sounds like Wuppertal“ gesprochen, ist damit die Klangfarbe hiesiger Jazzszene gemeint. Und dass in Free-Jazz-Zirkeln davon geredet wird, es „brötzt“, ist der signifikanten, als besonders energetisch beschriebenen Spielweise eines berühmten Wuppertaler Jazzers geschuldet: Peter Brötzmann hat eine eigene Art, Saxophon und Klarinette zu bedienen.

Seine Experimentierfreude und sein Können haben den europäischen Jazz maßgeblich beeinflusst. Sein Werdegang lässt sich ungefähr so beschreiben: Neunjährig begann der gebürtige Remscheider Klarinette zu spielen, mit 17 startete er an der Werkkunstschule in Wuppertal ein vierjähriges Kunststudium. Nebenher arbeitete er als Grafiker, spielte in verschiedenen Bands Klarinette oder Tenorsaxophon und entdeckte Anfang der 60er Jahre freien Jazz. Zusammen mit Peter Kowald und Dieter Rauschtenberger gründete er 1961 ein Trio.

Spätestens seit diesem Zeitpunkt gilt Peter Brötzmann als Seismograph für Stimmungen und Tendenzen in diesem speziellen Musikgenre. Musik ist sein Leben, angefangen von den Trios mit Fred van Hove, Han Bennink, Harry Miller und Luis Moholo bis hin zur legendären Last Exit-Formation mit Sonny Sharrock, Shannon Jackson und Bill Laswell — seit gut 45 Jahren ist der Mann, der Noten weder aufschreibt noch liest, weltweit unterwegs.

Dabei schöpft er nie aus einem für alle Zeiten angelegten Nostalgie-Reservoir, sondern ist auf der Suche nach Neuem. Zweifel hat er immer, bei jedem Projekt, bekennt der Von-der-Heydt-Preisträger. Überwiegend, das sind geschätzte 90 Prozent, arbeitet er mit jüngeren Musikern zusammen. „Die fordern psychisch wie physisch.“ Und trotz seiner Routine empfindet er jeden Auftritt als etwas neues und anderes. „Ich nehme Publikum und Bühne ernst.“

Mag sein, dass der freie Jazz mit seinen oft sonderbaren und neuen Ideen weder Musik für wohlfrisierte Aufsteiger noch witziges Lifestyle-Zitat ist. Wenn überhaupt, dann ist er eine soziale Referenz. Auch Dank alter Haudegen wie Peter Brötzmann, der am Sonntag 70 Jahre alt wird und anlässlich dieses runden Geburtstages im April mit einem Mini-Festival geehrt wird.