Porträt der Lieblingsschwester
Gustav Courbets „Juliette“ ist im Von der Heydt-Museum zu sehen.
Der in Ornans bei Besancon geborene Gustav Courbet (1819-1877), Sohn eines wohlhabenden Landbesitzers, erhielt schon früh Zeichenunterricht, bevor er 1839 in Paris das Studium der Malerei bei verschiedenen Lehrern aufnahm. Unser Porträt der jüngsten Schwester Courbets, Juliette, entstanden um 1839, gehört in die Anfangszeit der Ausbildung bei den Malern von Steuben und Hesse, in der Courbet auch häufig die Werke der alten Meister im Louvre kopierte. Juliette war die jüngste der vier Schwestern Courbets und seine Lieblingsschwester. Sie blieb unverheiratet, führte den Haushalt der Eltern und hielt stets zu ihrem großen Bruder, der sie später zu seiner alleinigen Erbin einsetzte. Courbet porträtierte sie mehrfach.
Das kleine Porträt ist die früheste Version, vermutlich um 1839 entstanden, als Juliette acht oder neun Jahre alt war. Courbet malt das Mädchen in stiller Versenkung und gefühlvoller Pose, mit einem zarten Taschentuch in der Hand. Der heimatliche Landschaftshintergrund ist durch den Berg Hautepierre konkret zu lokalisieren.
Das hier erstmals entwickelte Kompositionsschema verwendete Courbet später häufig zur Darstellung träumender, in Gedanken vertiefter Mädchen und Frauen. Das Gemälde zeigt Courbets Fähigkeit, mehrere Motive, die er später stärker collageartig miteinander verband, zu kombinieren: Unvermittelt aneinander gerückt sind die Mauer, an der Juliette sitzt, und die blauen Berge in der Ferne, der kleine Esel im Vordergrund und ein weiterer vor der Höhle im Hintergrund sowie das Mädchen als Halbfigur.
Offensichtlich wollte der Künstler eine emotional bewegende Situation wiedergeben. Der Blick und der vornüber gebeugte Oberkörper könnten andeuten, dass die Ursache dafür rechts außerhalb des Bildes liegt, so dass das Sujet — ein romantischer Zug — sich erst jenseits der Bildfläche vollenden würde. Dass sich die Mauer nach rechts abwärts neigt, bestärkt das Gefühl der Trauer in dieser Richtung. Unterstützt wird der wehmütige Ausdruck durch die schweren Farben des Himmels, die sich oben zu einem tiefen Dunkelblau und links zu grauen Gewitterwolken verdichten. Auch diese finden sich in späteren Kompositionen des Künstlers wieder.
Das Bild stammt aus dem Vermächtnis Eduard von der Heydts und gehört seit 1964 zur Sammlung des Von der Heydt-Museums. Bis 5. August ist es in unserer Sammlungspräsentation „Aufbruch in die Moderne“ zu sehen.