Bergische Universität Die Kreation einer Ikone

Lebensmittelchemikerin Prof. Dr. Julia Bornhorst von der Bergischen Universität über Chanel N° 5.

Das legendäre Parfüm Chanel No. 5, kreiert von der Modeschöpferin Coco Chanel im Jahr 1920.

Foto: picture-alliance/ dpa/Martin Schutt

In der Reihe „Jahr100Wissen“ beschäftigen sich Wissenschaftler der Bergischen Universität mit 100 Jahre zurückliegenden Ereignissen, die die Gesellschaft verändert und geprägt haben. 1920 wurde das Parfüm Chanel N° 5 erfunden. Im Interview spricht Lebensmittelchemikerin Prof. Dr. Julia Bornhorst unter anderem darüber, was den Duft so erfolgreich macht und erklärt, welchen Einfluss Gerüche auf das menschliche Gehirn haben.

Vor 100 Jahren wurde der erfolgreichste Damenduft aller Zeiten, Chanel Nº 5, erfunden. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit alle 30 Sekunden ein Flakon verkauft wird. Woraus besteht eigentlich ein Parfüm?

Prof. Dr. Julia Bornhorst: Das ist eine spannende Frage, die uns Lebensmittelchemiker häufig beschäftigt, weil wir uns nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit Kosmetika und Bedarfsgegenständen befassen. Parfüm ist definiert als ein Riechstoff, der den Körpergeruch überdecken oder einen Duft verändern soll. Es besteht hauptsächlich aus Alkohol plus destilliertem Wasser, dem man zusätzlich – früher häufiger als heute – ätherische Öle, sowohl aus Blumen als auch aus tierischen Produkten, zusetzt. Heute benutzt man weniger natürliche Essenzen als vielmehr synthetische Stoffe. Dadurch erhält ein Parfüm ein aufregendes Duftbouquet aus ganz verschiedenen Verbindungen. Es können zwischen 12 und 600 Verbindungen sein, die die Gesamtnote ausmachen. Daran sieht man auch, wie eng die Parfümherstellung mit der eigentlichen Chemie verknüpft ist. Enthalten sind zahlreiche Aldehyde, das heißt viele kleine, flüchtige Verbindungen, die beim Auftragen im Idealfall direkt die Nase erreichen. Spannend dabei ist die Tatsache, dass sich der Duft eines Parfüms aus drei unterschiedlichen Noten zusammensetzt. Zuerst haben wir die Kopfnote, dann die Herznote und schließlich die Basisnote. Die Kopfnote ist die, die die Kunden im Geschäft überzeugt, das Produkt zu kaufen. Es ist der erste Eindruck, den man durch Auftragen und Riechen erhält. Die Herznote zeigt einem mehrere Stunden später, wie sich das Parfüm mit dem eigenen Körpergeruch verbindet. Daher werden hier häufig sehr viele blumige Noten verwendet. Die Basisnote ist für den langanhaltenden Geruch verantwortlich.

Kreiert wurde Chanel Nº 5 von dem ehemaligen französischen Chemiker und Parfümeur des russischen Zarenhofes, Ernest Beaux. Es besteht aus genau 31 Parfüm-Rohstoffen. Welche sind das zum Beispiel?

Bornhorst: Beim Parfüm nutzt man vor allem sehr kleine Moleküle, weil diese flüchtig sein müssen, damit sie die Nase direkt erreichen. Bei Chanel Nº 5 hat man erstmalig eine Aldehydüberdosis kreiert. Das war zur damaligen Zeit etwas Besonderes. Die Kopfnote wird geruchlich von einem strahlendfrischen, leicht metallisch-wachsig-rauchigen Aldehyd-Komplex dominiert, mit seinen typischen Anklängen an Rosenblätter und Orangenschalen. Die zitrusartigen Facetten werden durch Bergamottöl, Linalool und Petitgrainöl aufgenommen und unterstrichen. Weitere Bestandteile sind Mairose, Neroli-Essenz und brasilianische Tonkabohnen. Nuanciert wird dieser Duft durch Sandelholz- und Patchouliöl. Vanillin, Coumarin und Storax leiten zum betont sinnlichen Moschus-Komplex über, der im Schlussakt der Komposition das Thema bestimmt und im Original von 1921 aus echten Moschusanteilen bestand. So entstand eine enorm breite Duftnote.

Coco Chanel wollte diesen Duft ursprünglich nur als kleines, auf 100 Flakons limitiertes Weihnachtsgeschenk für ausgewählte Kundinnen ordern und war von der Nachfrage überwältigt, sodass das Parfüm 1922 in Produktion ging. Was ist das Betörende an diesem Duft?

Bornhorst: Chanel Nº 5 war revolutionär, denn damals gab es mehr Parfüms, die nur an eine bestimmte Blume erinnert haben. Chanel Nº 5 ist aber ein Gesamtensemble aus verschiedenen blumigen aber auch tierischen Essenzen. Coco Chanel hat damals gesagt, sie kreiere ein Parfüm für Frauen, das den Duft der Frauen trägt. Schon durch das Marketing hat sie den Kundinnen das Gefühl gegeben, der Duft übertünche nicht den eigenen Geruch, sondern vervollkommne sie. Auch der Flakon hat eine ganz eigene Form. Diese Schlichtheit hat sich bis heute nicht verändert. Außerdem hat man hat früh erkannt, wie wichtig das Marketing für den Verkauf ist. Zuerst hat Coco Chanel als Stilikone ihr Parfüm selbst vermarktet. Anschließend warb Marylin Monroe mit dem Slogan „Ich trage nachts nichts außer ein paar Tropfen Chanel Nº 5“ für den Duft, was einen enormen Absatz des Parfüms zur Folge hatte.

Gibt es eigentlich Duftstoffe, die den Menschen manipulieren?

Bornhorst: Auf jeden Fall! Der menschliche Geruchssinn ist Teil des Gehirns. Wenn wir etwas riechen, merken wir uns nicht die chemische Verbindung, sondern wir speichern es ab als Emotion, als Sinneseindruck und verbinden es meist auch mit sozialen Aspekten. Wenn man Kamingeruch wahrnimmt, dann hat man oft ein positives, wohliges Gefühl, bei dem Geruch von frischem Brot freut man sich aufs Frühstück. Genauso verhält es sich auch bei Düften. Auch die Partnerwahl wird so gesteuert. Der Geruchssinn ist unfassbar wichtig für uns, auch um uns vor Gefahren zu schützen. Brandgeruch lässt uns handeln oder vor der Gefahr fliehen. Das Riechen ist direkt mit der Emotion verbunden.

Nach welchen Kriterien suchen Sie ein Parfüm aus?

Bornhorst: Ich mag es persönlich eher frisch und blumig und nicht zu intensiv in der Basisnote. Ich achte immer darauf, dass ich sowohl Parfüms als auch parfümierte Deodorants oder Duschgels regelmäßig wechsele, weil es einen sogenannten Adaptationseffekt gibt. Wenn man immer das gleiche Parfüm verwendet, braucht man immer mehr davon, um den Duft selber wahrnehmen zu können. Die Nervenzellen bilden sich alle fünf bis sechs Wochen neu. Um sich also nicht an diesen Adaptationseffekt zu gewöhnen, sollte man sich auch mal eine Pause von seinem Lieblingsduft gönnen.