Konzert Quartett lässt keinen hinter sich
Wuppertal · Das Kaleko Quartett zeigte eindrucksvoll, was es von Aussagen wie „Wir können doch nicht die ganze Welt retten“ hält.
Wenige Wochen ist es her, dass das Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos brannte. Ein Grund mehr für die Initiative Seebrücke Wuppertal, ein Benefizkonzert in der Citykirche Elberfeld zu veranstalten. Annette Windgasse erläuterte den Gästen den umfassenden Ansatz des Konzerts. So waren die Einnahmen nicht nur für die „Medical Volunteers“ bestimmt, die Geflüchtete in Griechenland medizinisch versorgen. Ein Teil der Spenden ging an die Nothelfer von „Sea-Watch“ – und floss auch in das Seebrücke-Projekt, das am Bahnhof Mirke einen Gedenkort für Flüchtlinge schaffen will.
Nach Windgasse, die Bilder aus dem provisorischen Ersatz-Camp „Moria 2.0“ zeigte, stand Lydia Stettinius am Rednerpult. Die Musikerin, die selber schon als Flüchtlingshelferin aktiv gewesen ist, trug Berichte von Lagerbewohnern vor. Da war die Mutter, deren Tage mit dem Anstehen für Essen ausgefüllt sind. Nur ihre Kinder, lautete ihr Fazit, hielten sie am Leben. Da war der Mann ohne Familie, der sich fragte, warum in Europa Geflüchtete „nicht als Menschen angesehen werden“. Der Situation setzte die junge Parwana ein trotziges Statement entgegen: Egal was passiert – „mein Stift wird nicht brechen!“
Eine ähnlich engagierte Haltung wie Stettinius hat das Kaléko Quartett. Das Streichquartett, das sich 2015 an der Musikhochschule Hannover gründete, kombiniert Neue Musik mit poetischen und politischen Texten. Mittlerweile gehört auch die Wuppertaler Cellistin Anna Overbeck zum Ensemble. Zusammen mit Maria Meures (Geige), Anne Zauner (Geige) und Dorothea Holder (Bratsche) führte sie „You“ auf – ein Stück der 1963 geborenen Tatjana Prevelevic, das den Migrationsdiskurs der letzten Jahre aufgreift.
Slogans und Argumente
treffen auf Musik
Bevor das Quartett Platz nahm, gingen die Musikerinnen durch den Saal, hielten Texttafeln hoch und skandierten Slogans. Das sprichwörtliche „Wir schaffen das“ traf auf die Argumente der Skeptiker. Auf der Bühne vermischten sich dissonante Streicherlinien mit Sounds, die Tontechniker Marco Benduch per Laptop einspielte.
Noch enger verbinden sich Worte und Klänge in „Different Trains“, das Steve Reich 1988 für Streichquartett und Tonbandeinspielungen schrieb. Reichs Erinnerungen an Bahnfahrten quer durch Amerika vermischen sich hier mit dem Trauma von Holocaust-Überlebenden, die mit Zügen ins KZ deportiert wurden. Überzeugend evozierte das Kaléko Quartett die spezifischen Rhythmen und Geräusche der Züge. Es ging sogar über die Vorgaben des Komponisten hinaus, indem Benduch die Live-Musik mit vorab aufgenommenen Streichern unterlegte. Stürmischer Applaus war dem Ensemble jedenfalls sicher.
Gut kam auch die Besinnung des Quartetts auf absolute Musik an. Ihr Gespür für subtile Mehrstimmigkeit bewiesen Overbeck und ihre Mitspielerinnen mit Ausschnitten aus Bachs „Kunst der Fuge“.