Rassismus-Debatte Muss die Mohrenstraße in Wuppertal umbenannt werden?
Wuppertal · In Berlin wird ein U-Bahnhof umbenannt. In Wuppertal ist das Thema bisher nicht diskutiert worden. Das könnte sich jetzt ändern.
Die Diskussion um den Straßennamen „Mohrenstraße“ könnte auch in Wuppertal jetzt beginnen. Anderswo gibt es sie bereits, etwa in Berlin. Dort hat die Berliner Verkehrsgesellschaft gerade beschlossen, zumindest den Bahnhof umzubenennen. „Aus Verständnis und Respekt für die teils kontroverse Debatte um den Straßennamen hat die BVG sich nun entschieden, ihn nicht weiter für die Benennung des U-Bahnhofs zu verwenden. Als weltoffenes Unternehmen und einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt lehnt die BVG jegliche Form von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung ab“, teilte die BVG laut Berliner Morgenpost dazu mit.
„Mohr“ ist ein veralteter Begriff für Menschen mit schwarzer Haut. Er wird heute als diskriminierend gewertet. Er ist eine Fremdzuschreibung, ein Name von Deutschen für Afrikaner, der mit Stereotypen aus der Kolonialzeit verbunden ist. Begriffe wie Mohr sind geprägt durch die Vorstellung der Namensgeber von denen, die sie beschreiben. Mit abwertenden Zuschreibungen. Die Selbstwahrnehmung, die kulturelle Identität der Beschriebenen wird dadurch negiert. Das ist Teil der Debatte um solche Namen.
Sarrotti hat den Mohr
schon 2004 abgeschafft
Im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung, die nach dem Tod von George Floyd in Minneapolis (USA) nochmal an Größe und Aufmerksamkeit gewonnen hat, werden in Ländern wie den USA und England Denkmäler, die etwa an Sklavenhalter- oder händler erinnern, abgerissen. Dadurch kommt auch Bewegung in die Debatte in Deutschland. Siehe Berlin. Oder Heidelberg. Oder Freising. Aber die Debatte ist nicht neu. Die Schokoladenfirma Sarrotti hat schon 2004 den Mohr durch den Magier ersetzt.
Die Mohrenstraße in Heckinghausen heißt seit 1873 so. Seit einer Zeit, kurz bevor Deutschland Kolonialmacht wurde. Zur Kolonialzeit waren Mohrenstraßen beliebte Namen – die man auch in anderen Städten findet. Laut dem Buch „Wuppertaler Straßennamen“ von Wolfgang Stock ist der Grund für die Benennung aber unklar. Das etymologische Wörterbuch gibt aber auch einen Wortursprung in der Bezeichnung „Mohair“ für Angorawolle und als Ableitung Mohr als „dichtes Zeug von Seide“ an.
Michael Okroy aus der städtischen „Kommission für eine Kultur des Erinnerns“ hält angesichts der Geschichte den Bezug zu schwarzen Menschen aber für sehr wahrscheinlich. „Es gab den Sarrotti-Mohr, den Mohr als Diener, den Hofmohren, den Mohr als Gastgeschenk – und faktisch Sklaven.“ Er sagt, der Begriff dürfte eindeutig sein.
Die Kommission wird das Thema dieses Jahr nicht mehr aufgreifen können. Deren letzter Sitzungstermin ist wegen fehlender Themen und Corona ausgefallen. Eine nächste Sitzung soll erst im kommenden Jahr stattfinden.
Okroy will sich dennoch mit dem Thema auseinandersetzen. Allerdings sei er kein Freund von „aktionistischer Umsetzungspolitik“, umso mehr von „differenzierter Auseinandersetzung“ und „reflektierter Erinnerungskultur“. Allgemein meint er, es gebe andere Formen, sich mit durchaus vorhandenen problematischen Straßennamen auseinanderzusetzen als sie umzubenennen. Er sieht solche Straßennamen eher als „Steilvorlage für Diskussionen“.
Straßennamen seien Teil der Zeitgeschichte, Erinnerungszeichen. Die könne man etwa mit Zusatzschildern ausstatten, um den Kontext der Benennung zu kennzeichnen. Nur in Extremfällen sollte man zur Umbenennung greifen, meint er.
Marat Trusov von der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz sieht das etwas anders. Für ihn würde eine Umbenennung unterstreichen, dass es der Gesellschaft wichtig sei, sich „ernsthaft mit Antirassismus und symbolischen Bildern in der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen“. Man müsse bei der Diskussion um eine Umbenennung auch mit Betroffenen sprechen. Und den Kontext einer möglichen Umbenennung auch transparent machen – etwa mit einem Schild, das darüber informiert, wie die Straße zuvor hieß, wann und warum man sich dagegen entschied, diesen Namen weiter zu behalten.
Bezirksbürgermeister
ist offen für eine Diskussion
Heckinghausens Bezirksbürgermeister Christoph Brüssermann (CDU) signalisiert Offenheit für eine Diskussion. „Wenn die Menschen sagen, es ist an der Zeit, solche Namen auszutauschen, dann stellen wir uns nicht dagegen“, sagt er. Von selbst hätte er eine solche Diskussion aber nicht angestoßen. Er sehe auch Zeichen der jeweiligen Zeit in solchen Namen. Aber: „Es soll auch niemand diskriminiert werden“.
Kritische Auseinandersetzungen mit Straßennamen sind in Wuppertal nichts Neues: 2010 etwa wurde die Lettow-Vorbeck-Straße in Vohwinkel umbenannt. General Paul von Lettow-Vorbeck wird für den Tod Tausender Afrikaner in der Kolonialzeit verantwortlich gemacht. Außerdem soll er am rechtsextremen Kapp-Putsch beteiligt gewesen sein. Die Diskussion war lang und heftig. Auch weil die Kosten für die Adressänderung bei den Anwohnern hängen bleiben. Die Straße heißt seitdem Edith-Stein-Straße nach einer von den Nazis ermordeten Philosophin.