Religionen im Dialog: Der Glaube verbindet — trotz allem
Wie sich Juden, Christen und Moslems auf einer Tagung in Wuppertal näherkommen.
Wuppertal. Wie können Menschen verschiedenen Glaubens miteinander ins Gespräch kommen? Um das zu beschreiben, wählt Halima Krausen ein Bild: „Natürlich hat jede Religion ihre Grenzen. Die hat mein Körper aber auch, nämlich die Haut“. Kaum hat die Muslima diesen Satz ausgesprochen, reicht ihr die evangelische Pastorin Angelika Steinbicker die Hand: „Und an der Oberfläche der Haut, an den Grenzen, findet Begegnung statt“, erklärt die Pastorin. „Es ist uns wichtig, miteinander zu sprechen, nicht übereinander“, pflichtet ihr Krausen bei.
Krausen und Steinbicker sind zwei von 90 internationalen Teilnehmern der JCM-Tagung auf der Hardt. Eine Woche lang trafen sich Juden, Moslems und Christen in Wuppertal, um über die Glaubensgrenzen hinweg friedlich ins Gespräch zu kommen (siehe Kasten) — mit Toleranz und Respekt, allen feindseligen Scharfmachern auf jeder Seite zum Trotz.
Dass Toleranz nicht alltäglich ist, weiß auch Atika Azougaye zu berichten. Natürlich sehe sich die junge Muslima aus Hamburg als ein Teil von Deutschland — „keine Frage. Doch in der Straßenbahn werde ich oft wegen meines Kopftuches schräg angeschaut.“ Sogar den Job in einer Bahnhofsbäckerei habe sie wegen ihres Kopftuches nicht bekommen.
„Das Klima verschlechtert sich“, stimmt ihr der Rabbinatsstudent Adrian Michael Schell bei. Er verweist auf die Integrationsdebatte von Thilo Sarrazin und die schroffen Impulse, die Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Vorfeld der Islamkonferenz in Richtung der Muslime ausgesandt habe. „Aber denen dürfen wir das Feld nicht überlassen“, fordert Steinbicker. Die vier sind sich einig: Das Zusammenleben zwischen den Religionen kann gelingen.
Das beste Beispiel dafür sei die JCM-Tagung, meint Schell: „Hier gibt es einen geschützten Raum, das ist wichtig.“ Denn wenn man wisse, dass der andere verständnisvoll mit der eigenen Religion umgehe, lasse man sich ebenfalls auf das Gegenüber ein. So feiern die Vertreter der drei Religionen sogar ihre Gottesdienste miteinander. Dass Respekt allerdings auch ins Extrem umschlagen kann, hat Schell oft erlebt: „Viele Schüler haben so viel Scheu, die trauen sich gar nicht, mich etwas über meinen Glauben zu fragen.“
Um Scheu abzubauen, sei die Begegnung das A und O, meinen die vier. Dabei könne Religion sogar als Brücke dienen: „Ich kenne in Hamburg eigentlich kaum einen Juden, dafür aber einige Christen“, berichtet Azougaye. Mit denen sei der Umgang oft leichter als mit Atheisten — denn wer gar nichts glaube, der verstehe sie und ihre Lebenswelt auf keinen Fall.