Sie forschen am Bayer Science Center in Aprath zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs-Therapeutika. Statistisch gesehen forschen Sie also an den Krankheiten, die zu den häufigsten Todesursachen gehören.
Interview „Was häufig fehlt, ist der Kontakt zwischen Universitäten und Wirtschaft“
Rolf Jautelat ist neuer Honorarprofessor an der Bergischen Universität Wuppertal. Der Lehrbeauftragte der Fachgruppe Chemie und Biologie forscht für die Bayer AG an Wirkstoffen, die in der Krebstherapie eingesetzt werden.
Rolf Jautelat (51) ist jetzt als Honorarprofessor an der Bergischen Universität Wuppertal tätig. Der Lehrbeauftragte der Fachgruppe Chemie und Biologie forscht hauptberuflich für die Bayer AG an Wirkstoffen, die in der Krebstherapie eingesetzt werden.
Jautelat: Die gute Botschaft vorne weg: Wir Menschen in Deutschland leben immer länger und immer gesünder. Immer länger heißt – von den heute in Deutschland Geborenen wird jeder Dritte die 100 Jahre erreichen. Immer gesünder – auch die Zahl der sogenannten „gesunden Jahre“ steigt seit langem. Menschen, die heutzutage in Pension gehen, fühlen sich meist nicht alt und sind häufig körperlich fit. Die aktuelle Corona-Krise trübt dieses Bild zwar, wird aber den langfristigen Trend nicht umkehren. Die Gründe für dieses „Länger & Gesünder“ sind vielfältig. Wichtige Elemente sind: Vorsorge, sowohl die Krebsvorsorge, aber auch der regelmäßige Check-up beim Hausarzt. Vorbeugende Maßnahmen wie z.B. regelmäßige Bewegung, Rückenschule und gesündere Ernährung. Und die sehr gute medizinische Versorgung, die wir hier in Deutschland genießen.
Können Sie jeweils zusammenfassen, was die aktuellen Ansätze sind? Wie gut ist Krebs behandelbar?
Jautelat: In der Krebstherapie hat sich in den letzten 30 Jahren viel bewegt. Ein gutes Beispiel: Bei sogenannten flüssigen Tumoren, also Leukämien und Lymphomen, sind heute die meisten Typen sehr gut chronisch behandelbar, das heißt, ähnlich wie bei Bluthochdruck geht unter Dauertherapie der Krebs stark zurück und wird kontrolliert und die Betroffenen können viele Jahre symptomfrei mit hoher Lebensqualität leben. Auch bei soliden Krebsformen gibt es große Fortschritte.
Und wie sieht es bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus?
Jautelat: Herz-Kreislauf-Erkrankungen – und die damit verbundenen Todesfälle durch Herzinfarkt oder Schlaganfall – sind nach wie vor der Killer Nummer eins in Deutschland. Aber auch hier hat sich innerhalb einer Generation viel getan. Insbesondere ist die Zahl der Todesfälle von Menschen unter 70 Jahren deutlich zurückgegangen. Bluthochdruck – rechtzeitig erkannt – kann heutzutage sehr gut behandelt werden. Darüber hinaus gibt es viele therapeutische Fortschritte bei selteneren, früher häufig zu spät erkannten Erkrankungen wie dem Lungenbluthochdruck.
Wenn man an die Universität im Allgemeinen denkt, denkt man nicht immer an die Verbindung von externen Experten und Lehre – vielmehr besagt das Klischee noch immer, dass die Uni ein Elfenbeinturm ist. Wie sehen Sie das?
Jautelat: Wir haben in Deutschland exzellente Universitäten. Was häufig noch fehlt, ist der Kontakt zwischen Universitäten und Wirtschaft, um über die Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte für Menschen zu sprechen. Daher hilft es, wenn Leute wie ich den Kontakt zwischen Wirtschaft und Hochschule pflegen und erklären, wie wir in der Industrie arbeiten und etwa Produkte entwickeln.
Wie sehr profitieren Studierende von Menschen wie Ihnen mit Wirtschaftserfahrung? Wie aktuell ist das, was Sie lehren?
Jautelat: Meine Studierenden erhalten Einblicke in die Grundlagen der Medizinischen Chemie und die Entwicklung eines Medikaments - und dies verbunden mit aktuellen Beispielen. Dieses Jahr haben wir uns etwa die wissenschaftliche Basis der aktuellen Corona-Impfstoffe genauer angeschaut.
Wie wichtig ist es für Bayer, dass Menschen wie Sie den Draht an die Uni suchen? Wie wichtig ist die Uni für die Akquise der Mitarbeiter?
Jautelat: Wir haben bei Bayer eine lange Tradition der Gastvorlesungen an Universitäten. Wir sehen uns als Bestandteil des Forschungsnetzwerkes in Deutschland. Das hilft der Firma Bayer in Sachen Reputation und das ist spannend für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Bayer – so wie mich – denn wissenschaftlicher Austausch ist die Basis eines erfolgreichen Forschungsbetriebs – egal ob an der Uni oder in einer Firma. Und zu guter Letzt: Über den vielfältigen Austausch entstehen persönliche Kontakte und darüber hat dann der eine oder andere auch seinen Weg zu Bayer gefunden.
Wie sehr hat Sie Corona in der Forschung, aber auch der Lehre beeinflusst – Stichwort Social Distancing?
Jautelat: In diesem Semester musste ich die Vorlesung über Zoom, also im Distanzunterricht, halten. Das hat akzeptabel funktioniert, aber ich bevorzuge die persönliche Vorlesung – einfach weil es mehr Interaktion und Diskussionen gibt – darauf hoffe und freue ich mich wieder in der Zukunft – nach Corona.