Wuppertal Rosenberger nimmt Abschied von der Gewichtheber-Bühne
Vor zwei Jahren beendete ein Unfall die aktive Laufbahn des 88-Jährigen. Nun legt er auch seine Ämter als Kampfrichter nieder.
Wuppertal. In seinem langen Gewichtheberleben hat Kurt A. Rosenberger viele Tonnen zur Hochstrecke gebracht. Die Gewichte und Hanteln haben den 88-Jährigen im Laufe der Jahrzehnte nicht in die Knie zwingen können, aber im Januar 2015 erwischte es ihn bei einem Verkehrsunfall auf der Wichlinghauser Straße. Der zu diesem Zeitpunkt älteste aktive Gewichtheber der Welt stürzte auf die Fahrbahn und riss sich beim Aufprall fast alle Sehnen im linken Arm. Nach seinem Karriereende als Heber ließ Rosenberger nun das Ende seiner fast ebenso langen Laufbahn als internationaler Kampfrichter folgen.
„Mit 88 Jahren darf man ja wohl etwas kürzer treten“, sagt Rosenberger, der sich mit drei Trainingseinheiten pro Woche im Kraftraum des KSV Wuppertal am Krühbusch weiterhin fit und beweglich hält. „Ich kann mich dank der Krankengymnastik und des Trainings wieder mit dem verletzten Arm am Kopf kratzen. Die Ärzte haben mich aber ausdrücklich davor gewarnt, an die Hantel zu gehen. Die Gefahr, dass die letzte Sehne reißt, sei einfach zu groß. Ansonsten fühle ich mich fit“, beschreibt er seinen Gesundheitszustand.
„Bei dem Unfall kam ich gerade vom Training, wollte die Wichlinghauser Straße überqueren, als mich ein Auto erfasst hat.“ Die Folgen hätten noch schlimmer sein können, aber mit dem Leistungssport war es für den Masters-Gewichtheber von einer Sekunde auf die andere vorbei. „Dabei hatte ich mir vorgenommen, im Alter von 90 Jahren noch einmal 35 Kilo im Reißen und 40 bis 42 Kilo im Stoßen zu schaffen. Das geht nun leider nicht mehr.“
Freiwillig erfolgt dagegen sein Rückzug als Kampfrichter bei nationalen und internationalen Veranstaltungen der Gewichtheber-Senioren. Bis vor drei Jahren war der frühere Mitarbeiter der Wuppertaler Stadtwerke als Chef-Kampfrichte in aller Welt tätig, wenn er nicht gerade selbst auf der Bühne um Medaillen und Titel kämpfte.
Von seinen privat finanzierten Ausflügen zu Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und den Masters-Olympiaden brachte Kurt A. Rosenberger in schöner Regelmäßigkeit Goldmedaillen und Altersklassenrekorde mit. Von Verletzungen blieb der rüstige Rentner, der mit seinem Rauschebart und seinem Heber-Anzug aus Baumwolle (im Einsatz seit 1952) bei allen Wettbewerben der Gewichtheber-Senioren ein beliebtes Fotomotiv war, über viele Jahre verschont. Wo anderen Menschen schon beim Anblick eines Bierkastens der Rücken schmerzt, packte Rosenberger immer wieder kräftig zu — auf die richtige Technik kommt es schließlich an. „Die meisten Leute verheben sich und belasten ihren Rücken mit dem fünffachen Gewicht“, sagt er.
Den Sieg bei der Masters-Olympiade in Sydney 2009 mit diversen Altersklassen-Weltrekorden zählt der gebürtige Lübbenauer, den es nach dem Krieg nach Wuppertal verschlug, zu seinen größten Erfolgen. Doch es ist fast unmöglich, alle Siege und Rekorde aufzuzählen. Am Ende gingen Rosenberger in seiner Altersklasse die Konkurrenten aus. Kein Wunder, denn gerade im Kraftbereich fordert das Alter bei Sportlern seinen Tribut.
Umso erstaunlicher ist die Zähigkeit und Disziplin, die den Gewichtheber auszeichnete: 1948 begann er seine Gewichtheber-Karriere beim Barmer Ring- und Stemmclub. „Da wir nach dem Krieg keine richtigen Hanteln zur Verfügung hatten, haben wir Beton in Marmeladentöpfe gegossen.“ Von 1957 bis 1963 verschlug es ihn beruflich nach Kanada, wo er für den Club Harmonie Toronto startete. Anschließend trat er dem KSV 1896 Wuppertal bei, den er 31 Jahre als Vorsitzender leitete und dem er bis heute treu geblieben ist.
Bei den Stadtwerken musste er 1952 als Hilfsarbeiter beginnen, weil es für den gelernten Elektriker zunächst keine passende Stelle gab. So fegte er halt die Bergbahn aus. Seine berufliche Laufbahn beendete Rosenberger als Leiter der Trafo-Werkstatt, wo täglich große Gewichte bewegt werden mussten. Die brachte er als Rentner dann ohne Bezahlung mit viel Erfolg als Masters-Gewichtheber zur Hochstrecke. Als Wuppertals starker Botschafter war er weltweit unterwegs und sah sich selbst als Repräsentant seiner Wahlheimat. Gewichte will er im Kraftraum des Carl-Duisberg-Gymnasiums am Krühbusch weiterhin stemmen. Dafür hat er sich eine Konstruktion gebastelt, die es ihm erlaubt, den verletzten linken Arm zu schützen.