Sat.1-Chef Joachim Kosack: Der Programm-Macher aus Wuppertal

Joachim Kosack erzählt seine ganz persönliche Erfolgsgeschichte. Eine große Rolle spielt dabei Wuppertal.

Herr Kosack, Ihr Weg in die Sat.1-Geschäftsführung schien nicht unbedingt vorgezeichnet zu sein. Eigentlich wollten Sie ja Schauspieler werden. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit in Wuppertal?

Joachim Kosack: Das war ein tolles Experimentierfeld! Neben dem TiC war ich ja auch Statist und Kleindarsteller an den Wuppertaler Bühnen in der Ära Ulrich Greiff. Und dann Pina Bausch: Wir pilgerten — so oft es ging — zu ihren Vorstellungen und belagerten die Tänzer in den Kneipen der Luisenstraße. Außerdem hatte ich ja noch die Kabarettgruppe „Die Küchenschaben“ mit großartigen Auftritten im Cinema und in ganz NRW. Eine tolle Zeit.

Wie wichtig war das TiC-Theater für Ihre Laufbahn?

Kosack: Überaus wichtig! Hier konnte ich alles von der Pike auf lernen. Ronald F. Stürzebecher war gewiss ein strenger Lehrer, aber durch ihn und auch Hans Richter lernte ich bedingungslosen Einsatz. Die beiden machten mir im richtigen Moment klar, besser den Weg des Regisseurs als den des Schauspielers einzuschlagen. Stürzebecher gab mir auch meine erste Inszenierung und half mir dabei (wie übrigens auch Marcus Kiepe und Philip Broeking), den Schritt ins Profi-Geschäft nach Pforzheim zu gehen.

Als Sie das TiC mit aufgebaut haben, standen Sie gemeinsam mit Christoph Maria Herbst auf der Bühne. Später zog es Sie beide zum Fernsehen. Purer Zufall, ein glücklicher Wink des Schicksals oder eine Parallele (bei allen Unterschieden), die Sie gerne mit Christoph Maria Herbst teilen?

Kosack: Auf jeden Fall kein Zufall. Christoph hat einen tollen Weg beschritten, aber viele aus unserer Gruppe sind bis heute extrem erfolgreich in künstlerischen Berufen: Marcus Kiepe an der Burg (Anmerkung der Redaktion: der Schauspieler arbeitet am Burgtheater in Wien), Philip Bröking als Operndirektor an der Komischen Oper Berlin, Peter Suess und Malte Otten als Autoren im Fernsehen. Die Liste ließe sich endlos verlängern. Die oben beschriebene vielseitige Prägung dieser Jahre hat viele inspiriert.

Haben Sie noch Kontakt zu Christoph Maria Herbst?

Kosack: Ja, wunderbarerweise wieder sehr regelmäßig. Er hat für Sat.1 einen Film gedreht, der im kommenden Herbst ausgestrahlt wird. Eine Komödie, in der er den Tod spielt: „Und weg bist Du“. Ein grandioser Film. Wir tauschen uns regelmäßig über besondere Ideen aus. Da gibt es einfach ein Urvertrauen zwischen uns, geprägt natürlich aus den gemeinsamen Jahren in Wuppertal.

Sie sind heute Programm-Macher — also ausschließlich froh oder auch etwas wehmütig, dass Sie kein Schauspieler sind, sondern im Hintergrund entscheiden und die Linie vorgeben?

Kosack: Nach Wuppertal hatte ich tolle Jahre als Regisseur, dann trieb es mich Mitte der Neunziger zum Fernsehen. Und da gab und gibt es immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen, die ich bis heute immer wieder gerne annehme. Man lernt ja nie aus.

Welche Verbindung haben Sie heute zu Wuppertal?

Kosack: Meine Eltern und viele Verwandte leben dort. Ich bin also gelegentlich im Tal. Und es stellt sich immer wieder eine sehr starke Vertrautheit ein.

Sie sind Pastorensohn und ein buchstäblich ausgezeichneter Macher: Was bedeutet Ihnen der Robert Geisendörfer Preis, der Medienpreis der Evangelischen Kirche, den Sie erhalten haben?

Kosack: Unglaublich viel. Es war sehr ungewöhnlich, dass ein Mensch, der aktuell beim Privatfernsehen arbeitet, diesen Preis bekommt. Das war eine Auszeichnung für mich und mein ganzes Team — dafür, dass wir uns immer bemühen, Quote und Qualität zu vereinen.

Sie gelten als der geistige Vater der Serien „Danni Lowinski“ und „Der letzte Bulle“. Was braucht eine TV-Serie, um erfolgreich zu sein?

Kosack: Einen klaren Pitch (Anmerkung der Redaktion: „Pitch“ steht für eine Idee bzw. Vorstellung, die zunächst einmal überzeugend präsentiert und vermarktet werden muss), große Emotionen, tolle Geschichten und vor allem die perfekte Besetzung ungewöhnlicher Charaktere.

Meiden Sie Fernseher nach Feierabend — oder sind Sie „TV-süchtig“? Mit anderen Worten: Können Sie „abschalten“?

Kosack: Richtig abzuschalten ist tatsächlich schwierig. Da schaut man doch mit sehr professionellem Blick. Außer ich schaue mit meinen Töchtern alte Filmklassiker meiner Jugend.

Welchen Film, welche Serie könnten Sie immer und immer wieder ansehen?

Kosack: „Raumschiff Enterprise — Next Generation“, „Barry Lyndon“ und „Manche mögen’s heiß“.

Sie engagieren sich an der Filmakademie in Ludwigsburg für den Film-Nachwuchs. Wie ist es um ihn bestellt?

Kosack: Das Tolle ist: Es gibt unglaublich viele großartige Talente, die mit einem frischen Blick in unsere Branche strömen. Darin liegt aber auch ein Problem: Wir bilden sehr viele junge Menschen aus, die es dann oft schwer haben, in diesem engen Markt Fuß zu fassen.

Was raten Sie jungen Talenten, die an die Filmakademie kommen oder auf anderen Wegen Zuschauer, Stoffe und Drehorte suchen?

Kosack: Eine gute Mischung zu haben zwischen einem Bewusstsein für den Markt und einer starken eigenen individuellen Note.

Von Ihrem Einsatz in der Filmakademie dürften beide Seiten profitieren. Wie wichtig ist es, als kreativer Macher, der an zentraler Position aktuelle Entscheidungen trifft, den Kontakt zu den Filmemachern von morgen zu halten?

Kosack: Na ja, wir werden ja leider alle nicht jünger. Daher ist es wichtig, durch den Dialog mit den jungen Talenten sich und seine Arbeit reflektiert zu betrachten.

Wenn Sie morgen einen Film drehen müssten: Wo würde er spielen? In Wuppertal, Ludwigsburg oder auf den Fluren von Sat.1?

Kosack: Erstens wäre es kein „müssen“ und zweitens wäre die Geschichte immer wichtiger als der Ort, an dem der Film spielt.

Wenn Ihr Leben verfilmt würde — welchen Titel hätte „Ihr“ Film?

Kosack: Marcus Kiepe sagte mal, meine Autobiographie müsste den Titel „Kosack — Ein Leben im Kult“ tragen. Aber mittlerweile halte ich es mit Ödön von Horváth: „Ich bin eigentlich ganz anders, ich komme nur so selten dazu.“