Der, in dem manche den Gesalbten Gottes sahen, wurde vor aller Augen der Schmach des Todes am Kreuz überantwortet. „Ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter.“ (Dtn 21,23) – so heißt es in der Thora. Tiefer, entehrter und gottverlassener kann man nicht sterben. Christen glauben an einen Gescheiterten. Was glauben Sie denn?
Die römische Strafe der Kreuzigung war eine ausgesuchte Form der Demütigung über den Tod hinaus. Sie begann mit einer brutalen Geißelung, die viele Delinquenten schon nicht überlebten. Ihr folgte die öffentliche Vorführung der Todgeweihten, dann die Kreuzigung vor aller Augen. Der qualvolle Tod konnte sich manchmal über Tage hinziehen. Es stirbt sich nicht andächtig und privat am Kreuz. Die Hinrichtung am Kreuz ist ein politisches Statement der Römer, mit der sie ihre Macht demonstrierten. Römische Staatsbürger durften nicht nur nicht gekreuzigt werden. Man sollte jede Form des Kreuzes von ihnen fernhalten, wie die beredte Stellungnahme des römischen Philosophen und Redners Cicero zeigt, der feststellt: „Was Kreuz heißt, soll nicht nur vom Leib der Bürger Roms fernbleiben, sondern auch schon von ihrer Wahrnehmung, ihren Augen und Ohren.“
Der Kreuzestod Jesu darf als historisch gesichert betrachtet werden. Nicht nur die Evangelien berichten davon. Auch die einer besonderen Nähe zum Christentum unverdächtigen römischen Autoren Sueton, Plinius der Jünger und Tacitus verweisen auf ihn. Letzterer scheint sogar Zugriff auf damals offenkundig archivierte Prozessakten des Pilatus gehabt zu haben. Dass solche existiert haben, belegt eine Äußerung Justins des Märtyrers, der noch in der Mitte des 2. Jahrhunderts n.d.Z. in seiner Apologia mit Verweis auf das heilende Wirken Jesu schreiben kann, das offenkundig Gegenstand des Verhörs durch den römischen Statthalter war: „Dass er das wirklich getan hat, könnt ihr aus den unter Pontius Pilatus aufgenommenen Akten ersehen.“
Die Auferstehung Jesu ist nicht in derselben Weise zu verifizieren. Auch durch die schon genannten römischen Autoren ist allerdings der Glaube an die Auferstehung des Gekreuzigten, der auf der Botschaft von Auferstehungszeugen beruht. Dieses Zeugnis ist im Neuen Testament belegt – etwa durch die Aussage des Paulus im 1. Korintherbrief: „Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas [das ist Petrus, WK], dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Zuletzt erschien er auch mir, gleichsam der Missgeburt.“ (1 Kor 15,3-8) Das Zeugnis ist nach damaligen Maßstäben mehr als gerichtsfest. Dafür hätten schon zehn Zeugen genügt. Es ist also nicht unvernünftig, an die Auferstehung des Gekreuzigten zu glauben. Man muss es aber nicht. Noch heute darf jeder gerichtsfeste Urteile anzweifeln, wenn solche Urteile nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen.
Der Glaube an die Auferstehung des Gekreuzigten bleibt freilich die Basis des christlichen Glaubens. Paulus betont: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube.“ (1 Kor 15,14) Dabei ist es alles andere als egal, wie Jesus gestorben ist: „Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten.“ (1 Kor 1,23). Es ist gerade das Paradox, dass Jesus am Kreuz als Gottverlassener stirbt und doch in der Auferstehung von Gott gerettet wird, der den christlichen Glauben prägt. Das ist für viele ein Torheit, für manche sogar ein Ärgernis, für Christinnen und Christen aber die Basis des Glaubens und Handelns.
Genau dieses Paradox feiern Christen in der kommenden Karwoche. Es beginnt mit dem Palmsonntag und findet sein Ziel im sogenannten Triduum Paschale. Von Gründonnerstag über den Karfreitag in die große Auferstehungsfeier der Osternacht hinein werden Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi vergegenwärtigt: Gott rettet im gottverlassenen Scheitern. Was für eine Hoffnung für alle, die daran glauben können: Aufstehen ist immer eine reale Option – zur Not auch mit Gottes Hilfe!