Lesung Schauspielerin setzt auf Kraft des Wortes
Wuppertal · Silvia Munzon Lopez demonstrierte ihre Sicht auf die Notwendigkeit des Dialogs.
Mit ein paar Klicks Beziehungen knüpfen – damit locken Soziale Medien und Online-Portale ihre Nutzer. Schauspielerin Silvia Munzon Lopez glaubt nicht an die Versprechen der digitalen Technik. Bei der Lesung „Im Zustand des Kontakts“ im Mirker Bahnhof vertraute sie lieber auf die Ausdruckskraft ihrer Stimme und ihres Körpers. Und was sind Beziehungen ohne Berührungen? Den Draht zum Publikum stellte sie her, indem sie die unsichtbare Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum überschritt, alle begrüßte und Hände schüttelte. „Guten Abend! Schön, dass Sie da sind.“
Wie gehen Menschen mit Nähe um? Wie grenzen sie sich ab? Antworten fand die Vorleserin in Sachbüchern und Theatertexten, die vor ihr auf dem Boden ausgebreitet lagen. Dass ihre Lesung aus dem klassischen Rahmen fiel, lag an den multimedialen Beiträgen von Musiker Ralf Haarmann und Video-Künstler Gregor Eisenmann.
Der eine verwob den Vortrag von Munzon Lopez mit seiner Live-Elektronik, deren Puls von einem mächtigen Bass zusammengehalten wurde. Durch Loops und Überblendungen erweiterte sich ihre Stimme zu einem dichten Stimmengeflecht. Der andere nahm ihr Gesicht als Spielmaterial und ließ die Abbilder durch den alten Wartesaal tanzen. So wie das Internet die ganze Welt in Millisekunden auf den Bildschirm zaubert, holte Eisenmann sie in den Raum hinein. Großstadtverkehr und menschenleere Wüsten flossen ineinander, und erlaubt waren auch Einblendungen von lokalen Wahrzeichen wie Schwebebahn und Schwimmoper.
Projiziert wurden auch die Stichwörter, die der Lesung ihre Struktur gaben. Das umfangreichste Kapitel war der Angst gewidmet. Munzon Lopez schlüpfte in die Rolle von Sozial-Phobikern, die ihre Wohnung am liebsten nie mehr verlassen möchten. Doch selbst der selbst gewählten Isolation konnte die Schauspielerin komische Seiten abgewinnen.
Amüsanter Dialog
mit Sprachassistentin
Denn selbst auf die Künstliche Intelligenz, die als Ersatz für reale Menschen herhalten soll, ist kein Verlass. Amüsiert verfolgte das Publikum den Dialog zwischen Schauspielerin und digitaler Sprachassistentin. Kaum kamen Gefühle ins Spiel, war die KI verwirrt. „Tut mir leid, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das verstehe.“
Als Ausweg bot Munzon Lopez den unverstellten, zwischenmenschlichen Dialog an. Das entsprach ganz ihrem Verhalten auf der Bühne. Das Publikum verlor sie in keiner Situation aus den Augen, einladende Gesten unterstrichen diesen Eindruck. So konnte sie einen Abend lang den Kontakt zum Publikum halten. Ihr Eintreten für die analoge Kommunikation traf offensichtlich einen Nerv. Der Applaus für das Künstlertrio fiel jedenfalls stürmisch aus.