Konzert „Winterreise“ hat einen großen Reiz

Wuppertal · Der Kammerchor Elberfeld verarbeitete Schuberts Werk in einem Klanggewebe.

Der Kammerchor Elberfeld gestaltete Schuberts „Winterreise“ in gleich drei Versionen.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Bei Schuberts „Winterreise“ denken die meisten wohl an einen Sänger, sparsam von einem Pianisten begleitet. Dabei lässt sich dieses romantische Meisterwerk, das der Komponist ein Jahr vor seinem Tod schuf, auch ganz anders interpretieren. Zum Beispiel von einem Chor, der mit seinen Möglichkeiten die Lieder auf Gedichte von Wilhelm Müller zum Hörgenuss macht.

In gleich drei Versionen führte der Kammerchor Elberfeld unter Leitung von Georg Leisse die „Winterreise“ auf. Die Gäste, die die Erlöserkirche füllten, hörten sie im Wechsel – mal das Original für Solist und Klavier, mal die von Leisse erstellte Kammerchor-Fassung und eine dritte für Solo, Chor und Klavier, bearbeitet von Gregor Meyer. Solist war der mehrfach ausgezeichnete Bariton Konstantin Paganetti, der zurzeit an der Kölner Musikhochschule studiert. Preisgekrönt ist auch das Klavierspiel von Toni Ming Geiger, der in Köln das Fach Liedgestaltung unterrichtet.

Großen Reiz hatte es, den Seelenschmerz des Winterreisenden im dichten Klanggewebe der gut 20 Choristen zu hören. Zudem wurde die traditionelle Rollenverteilung – hier der Solist, dort der Begleitchor – bewusst unterlaufen. Häufig eröffnete das Kollektiv die Lieder, und Paganettis Gesang entwickelte sich erst daraus hervor. Trat er hervor, ergaben sich überlagernde Linien. Diese Mehrstimmigkeit beeinträchtigte jedoch nicht die Textverständlichkeit. Mit präzisen Einsätzen unterstrich der Chor einzelne Zeilen, akzentuierte Schlüsselwörter. Ausbalanciert waren auch die vom Chor vorgetragenen Lieder – allen voran die populäre „Lindenbaum“-Melodie.

Paganetti gab Schuberts Wanderer Stimmkraft und facettenreiche Emotionen. Fein timbriert war sein Organ in den Höhen und voluminös in den tiefen Lagen. Untermalt von wenigen Gesten, konnte er den Seelenschmerzen des lyrischen Ichs Ausdruck verleihen. Beeindruckend hoch ging der Bariton bei „Im Dorfe“, als im Text die Verzweiflung in beißenden Spott umschlug. Auch die Momente aufkeimender Hoffnung („Frühlingstraum“) nahm man dem Sänger ab.

Weit mehr als Beiwerk war das Spiel des Pianisten. Toni Ming Geiger machte die Raffinesse hörbar, die der Komponist den instrumentalen Ein- und Überleitungen mitgegeben hat. Mit vollgriffigen Akkorden imitierte er in „Die Post“ das Signalhorn des Kutschers, und in sich kreisende Figuren evozierten das Instrument des Leiermanns, dem der einsame Wanderer im Schlusslied begegnet.

Das Konzert war damit aber noch nicht zu Ende. Die Zuhörer klatschten so ausgiebig, dass sich Paganetti und der Chor für eine Zugabe versammelten. Den „Frühlingstraum“, den sie noch einmal sangen, kann man nämlich auch wörtlich nehmen – als Einstimmung auf die kommende Jahreszeit.