Schulz reißt Sozialdemokraten mit

Der Kanzlerkandidat der SPD begeisterte am Mittwoch auf dem Laurentiusplatz seine Zuhörer.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Mit einer fulminanten Rede hat der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, Parteifreunde und Anhänger auf den Endspurt im Wahlkampf eingeschworen. „... wenn ich Kanzler bin“, endeten einige Aussagen des Sozialdemokraten. So soll es ein Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit geben. Berufliche und akademische Bildung sollen gleichwertig sein. Der Leiharbeiter am Fließband soll nicht weniger verdienen als sein festbeschäftigter Kollege am Fließband. Nach 35 Berufsjahren soll jedem eine Solidarrente zustehen, die über dem Betrag der Grundsicherung liegt. Alles, wenn Martin Schulz Bundeskanzler ist. Davon, dass er es wird, zeigte sich der Mann aus Würselen bei Aachen felsenfest überzeugt. Und keine Silbe klang angesichts ungünstiger Umfragewerte wie das Pfeifen im Walde.

Um Meinungsforscher und Demoskopen eines Besseren zu belehren, schaltete Schulz auf Frontalangriff auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Ein Kanzler darf nicht die Vergangenheit verwalten, er muss die Zukunft gestalten“, rief der Herausforderer unter dem Jubel der laut Polizei etwa 2500 Zuschauer. „Ja, Deutschland geht es gut. Aber es geht nicht allen in Deutschland gut“, sagte der ehemalige Präsident des Europaparlamentes und versprach mehr soziale Gerechtigkeit für die Zeit seiner Kanzlerschaft.

Nach dem Fernsehduell hat der Herausforderer in der Wählergunst leicht zugelegt. Und als ob der Himmel unterstreichen wollte, dass die Schlacht noch nicht geschlagen ist, rissen die Wolken auf, wenige Sekunden nachdem der SPD-Vorsitzende das Rednerpult betreten hatte. „Wir machen Wahlkampf nicht für die Meinungsforscher. Wir machen Wahlkampf, weil wir überzeugt sind, dass wir recht haben“, sagte Schulz. „Wir kämpfen bis zum 24. September um 18 Uhr.“

Vermutlich werden sich nur die älteren Zuhörer an eine Rede erinnert haben, die ähnlich sozialdemokratisch gewesen wäre, wie der 45 Minuten dauernde Auftritt des Kanzlerkandidaten. An einen der Letzten, die so sprechen konnten, erinnerte Schulz denn auch selbst. „Johannes Rau hat immer gesagt, denkt an den Paragrafen 1 des Grundgesetzes“, sagte Schulz in Erwiderung fremdenfeindlicher Äußerungen aus Kreisen der AfD. „Da steht nicht, die Würde der Deutschen ist unantastbar. Da steht, die Würde des Menschen ist unantastbar“, rief Schulz unter dem Jubel seiner Anhänger. Dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump warf er vor, sich nicht von Nazi-Umtrieben zu distanzieren. Von Angela Merkel forderte er den klaren deutschen Hauptsatz, dass die Politik des US-amerikanischen Präsidenten niemals die Politik Deutschlands sein könne. Der Kanzlerin rief er zu: „Ich bin jederzeit zu einem weiten Fernsehduell bereit, wenn sie das möchte.“ Sie möchte nicht.

Umso mehr glaubt Schulz offensichtlich selbst daran, das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Aus seinem Mund klang es ganz selbstverständlich, dass es am 24. September eine Mehrheit jenseits von CDU und CSU geben kann. Koalitionsaussagen vermied Schulz gleichwohl.

Dafür stärkte er sowohl Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) den Rücken, für dessen „hervorragende Arbeit für Wuppertal“, und versprach den SPD-Kandidaten Helge Lindh (Wahlkreis Wuppertal) und Ingo Schäfer (Remscheid, Solingen, Ronsdorf, Cronenberg) seine volle Unterstützung. „Dann könnt ihr mich auf der konstituierenden Sitzung des Bundestages mit zum Kanzler wählen“, sagte Schulz.

Vor allem die jüngeren Zuhörer im Publikum waren nach dem Auftritt des Kanzlerkandidaten in ihrer Wahlentscheidung bereits felsenfest. „Martin Schulz. Aus Überzeugung“, sprach ein junger Mann in eines der zahlreichen Mikrofone von Rundfunk- und Fernsehsendern. Ein älteres Ehepaar hingegen ließ sich nicht in die Karten schauen. „Wir haben schon gewählt“, sagten beide. Was? „Das Richtige.“